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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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antwortete Cornelisz.
    » Im Obergeschoss gibt es einen Raum, von dem aus ich den Hafen und sogar die ganze Bucht überblicken kann, was mir als Hintergrund geeignet zu sein scheint. Wenn Ihr also mein Porträt in der beschriebenen Manier anlegen würdet, so sähe jedermann, dass ich über Weitsicht und Macht verfüge? Die Gewalt, alle königlichen Vorgaben und Programme durchzusetzen? Und das ohne zusätzliche Symbole? Hm, der Gedanke gefällt mir. Wann wollt Ihr beginnen?«
    » Mit Eurer Erlaubnis würde ich zunächst gern den Raum sehen, von dem Ihr spracht, um die Lichtverhältnisse zu studieren. Danach werde ich mich um die Leinwand kümmern müssen und um die Farben.«
    Details schienen Dom Francisco jedoch nicht sonderlich zu interessieren. Er erhob sich. » Gut, gut, einstweilen werde ich Euch einen Vorschuss anweisen lassen, denn Ihr werdet vermutlich Auslagen haben. Maler sind schließlich stets knapp bei Kasse, oder seid Ihr etwa die berühmte Ausnahme?«
    Das herzhafte Gelächter des Gouverneurs folgte Cornelisz hinaus auf den Gang.
    Der Weg zu dem Raum, in dem Dom Francisco gemalt werden wollte, führte Cornelisz durch mehrere Säle, Treppenhäuser und Flure des castelo. Die Wände und Böden waren verschwenderisch mit blau-weißen Fliesen, Fresken und bunten Teppichen geschmückt. Das Zimmer selbst mit seinen weißen Wänden wirkte dagegen asketisch wie eine Mönchszelle.
    Aus den Fenstern sah man auf die Schiffe im Hafen und auf die weite Bucht mit ihrem gleißenden Sand und den weiß gesäumten, langen Wellen. Cornelisz sah sich um. Ja, dachte er zufrieden, dieser Raum hatte eine gute Ausstrahlung. Er griff unter die djellabah und zog sein silbernes Amulett hervor, das er an einem Lederband um den Hals trug.
    » In diesem gris-gris sind die Kräfte der Alten wie die des Propheten Mohammed versammelt«, hatte Anahid damals erklärt. » Ein alter schwarzer Schmied und Zauberer fertigte es vor langer, langer Zeit. Du musst es immer bei dir tragen als Schutz gegen böse Mächte.«
    Doch weder die mystische Bedeutung noch die Person der Schenkenden machten die Besonderheit dieses Stücks Silber für Cornelisz aus. Vielmehr war es die Form des Anhängers aus der Werkstatt eines unbekannten Wüstenschmieds, die ihn faszinierte. Sie wollte er seinem neuen Bild zugrunde legen: ein vollkommenes Dreieck.
    Erst nach mehreren Tagen hatte Cornelisz die richtige Leinwand bei einem Stoffhändler gefunden, hatte sie gewaschen und getrocknet, zugeschnitten und auf den Rahmen gespannt. Aus einem Gemisch von Kreide und feinster Tonerde sowie etwas Leim knetete er einen hellroten Teigklumpen, den er anschließend mit viel Wasser verlängerte, so dass eine streichfähige Masse entstand. Sorgfältig prüfte er Farbton und Konsistenz, bevor er aus seinen verschiedenen Pinseln einen mit besonders weichen Borsten auswählte und schnell und mit Schwung die Leinwand grundierte. Er arbeitete zügig, denn noch bevor die getönte Mischung getrocknet war, mussten alle Pinselspuren sorgfältig mit einem Tuchballen verrieben sein. Dreimal wiederholte er diesen Vorgang, denn ein glatter, feiner und leicht getönter Untergrund war unverzichtbar.
    In seinem Zuhause im Obergeschoss der Taverne öffneten sich Tür und Fenster zur umlaufenden Galerie über dem Innenhof des Hauses. Alles stand weit offen, trotzdem war es heute heiß und stickig im Zimmer, kein Lüftchen rührte sich, und die Haare klebten ihm am Kopf. Zu seinem eigenen Erstaunen arbeitete er dennoch konzentriert. Er fühlte sich voller Tatendrang, und selbst, als ihm in der Hitze unvermittelt die luftigen, beschatteten Innenhöfe in Anahids Haus einfielen, stellte sich keine Wehmut ein.
    Aus einem der Ledersäcke, in denen er seinen Besitz aufbewahrte, kramte er die Fläschchen mit den Ölen und Harzen hervor, die er zum Binden der Farben benötigte. Er nahm die Dosen, Säckchen und Tonkrüge mit den verschiedenen Erden, Gesteinsbrocken und anderen Pigmentvorräten heraus, prüfte alles und stellte sie nebeneinander auf den Tisch. Manche Farben hatte er schon lange nicht mehr verwendet, andere hatte er irgendwann fast aufgebraucht, und wieder andere besaß er von vornherein in nur geringsten Mengen. Diese Sichtung diente neben der praktischen Vorbereitung vor allem der Einstimmung auf die Arbeit und folgte einem gewissen Ritual, das er sehr mochte.
    Am liebsten hätte er auf der Stelle losgelegt, doch das musste bis morgen warten, wie ihm die schon tief stehende Sonne

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