Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
einem Krug des besten Weines einladen? Aber im Ernst, ich verrate dir ein Geheimnis: Selbst wenn meine Lâlla Azîza nur eine arme Kräuterfrau oder eine Ziegenhirtin wäre, so würde ich sie genauso heiraten wollen! Sie ist etwas Besonderes, und ich habe wahrhaftig mein altes, verwittertes Seemannsherz an sie verloren. Wenn ich nur an sie denke, bekomme ich weiche Knie, dass du es weißt.«
Cornelisz schwieg. Nach dieser Erklärung des oft ruppigen Miguel erübrigten sich alle Kommentare, insbesondere die derben Bemerkungen, die unter Männern so üblich waren. Miguel war es ernst mit der Liebe, das hätte er ihm nicht zugetraut.
» Was bist du doch ein guter Kerl unter deiner harten Schale. Ich wette«, sagte er deshalb schließlich mit Rührung in der Stimme, » ich wette, sie kann gar nicht umhin, als dich mindestens ebenso zu lieben.«
Jetzt nestelte Miguel ein zweites Tuch aus seinem breiten Gürtel, sah sich hastig um, ob sie unbeobachtet waren, und faltete das Stück Stoff behutsam auseinander. Die breiten Hände mit den rissigen Nägeln schirmten den Inhalt gegen neugierige Blicke ab.
Ein goldener Ring lag vor ihnen auf dem Tisch, breit und schwer, ein Reif mit rankengleichen Mustern und einem eckigen, tiefroten Rubin in der Mitte. Ein Sonnenstrahl fiel durch das kleine Fenster auf den Tisch und fachte das Feuer im Inneren des Edelsteines an.
» Er stammt von der Insel Lanka im Indischen Ozean. Meinst du, er gefällt ihr?«
» Welche Frau«, antwortete Cornelisz mit fester Stimme, » könnte einem solchen Stein schon widerstehen?«
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Das flammende Rubinrot des Rings noch vor Augen machte sich Cornelisz daran, seine Malutensilien durchzusehen und zu sortieren. Das Fläschchen mit dem rubinroten Krapplack allerdings war so gut wie leer, das hatte er gestern schon festgestellt. Leise vor sich hin pfeifend stellte er sodann den schön geschnitzten Mörser aus dem harten Holz des Lebensbaums mit dem Stößel, der so angenehm schwer in der Hand lag, auf den Tisch. Puderfein ließen sich hiermit die Mineralien zerreiben und mit den entsprechenden Ölen zu weichen Pasten vermischen. Schon seit Jahren benutzte er den Mörser, doch noch immer entströmte dem Holz ein würziger Duft. Die verkrüppelten, selten mehr als mannshohen Lebensbäume wuchsen trotz der unablässig über sie hinwegfegenden Winde entlang der gesamten Küste. Für den Schiffs- oder den Hausbau konnte man die krummen Stämme kaum verwenden. Doch Möbeltischler und Kunsthandwerker schnitzten aus dem aromatischen Holz schöne Schatullen und Deckeldosen, Teller und Kästen oder eben Mörser. Die Fingerfertigsten unter ihnen machten sogar kostbarste und feinste Intarsienarbeiten aus dem Holz, in Verbindung mit Schildpatt, Elfenbein und Rosenholz schufen sie einzigartige Tischplatten und dergleichen.
Danach mussten die Öle überprüft werden. Behutsam nahm Cornelisz ein Glasfläschchen nach dem anderen in die Hand, wischte den öligen Belag ab und stellte sie nebeneinander auf den Tisch. Vom reinen Walnussöl, das alle großen Meister verwendeten, hatte er einen ausreichenden Vorrat, ebenso vom wasserlöslichen Harz der afrikanischen Akazie. Doch sowohl vom Mohnöl als auch vom schneller trocknenden Sonnenblumenöl befanden sich nur mehr Reste in den Fläschchen. Allerdings hatte er mittlerweile durch eigene Versuche ausgezeichnete Erfahrungen mit dem Öl der Arganiennüsse gemacht, die an den stacheligen Bäumen entlang des Oued Sous und in der südlichen Küstenregion wuchsen. Sollte es mit der Beschaffung von Mohnöl also schwierig werden, Arganöl gab es überall zu kaufen.
Er besah seine Farbdosen und Stoffsäckchen und öffnete sie. Da gab es Bleiweiß, um dem Bild Licht zu geben, und Rötel, der für einen lebensechten Hautton nötig war. In anderen Säckchen befanden sich verschiedene Ockertöne, vom langweiligen Umbra aus Zypern über Erdpech vom Toten Meer bis zur braunroten terra di siena. Wegen der ausgiebigen – und, wie sich gezeigt hatte, leider völlig unbefriedigenden – Meeresstudien war außerdem der Vorrat an den kostspieligen blauen und grünen Pigmenten zusammengeschmolzen. Er seufzte, als er an die zahllosen vergeblichen Versuche dachte, das Geheimnis des Meeres auf dem Malgrund zu entschlüsseln.
Seinen Bedarf an Smalte, jenem tiefblauen, gemahlenen Glas aus Murano, deckte normalerweise Miguel. Auch Kugeln von piuri, dem besonderen Indischgelb, brachte er für ihn gelegentlich aus den fernen Häfen des östlichen
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