Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Vorbeigehen rupfte er ärgerlich Blätter von den Büschen und zerrieb sie zwischen den Fingern.
Dachte sie denn niemals daran, dass er sich vielleicht zurückgesetzt fühlen könnte? Schließlich war er der Kapitän, und zwar nicht nur an Bord der Santa Anna. Befehle erteilen, Arbeiten beaufsichtigen, Entscheidungen treffen, Verhandlungen führen, das war Männersache, so etwas gehörte zu seinen Pflichten. Mirijam zog ihn jedoch nicht zurate und tat fast so, als sei sie überhaupt nicht verheiratet. Gewiss, nachts kam sie in sein Bett, und dann war alles gut, aber warum kümmerte sie sich nicht mehr um solche Dinge wie das Kochen oder um ihren Garten?
Woher sollte sie aber auch das einem Eheweib angemessene Verhalten kennen?, fiel ihm gleich darauf ein. Frauen als Vorbilder hatte sie nie gehabt. Schon seit Jahren arbeitete sie mit ihrem Abu , und in ihrem Umfeld gab es lediglich die Berberfrauen und ein paar Schwarze. Vielleicht sollte er also doch besser möglichst bald mit ihr nach Santa Cruz übersiedeln, dort hätte sie Gesellschaft von Freundinnen und Nachbarinnen, mit denen sie reden und nach denen sie sich richten konnte. Vor allem hätte sie dann mehr Zeit für ihn, denn sie würde ihre Manufakturen nicht mehr persönlich leiten müssen. Stattdessen würde man einen Verwalter damit beauftragen.
Dieser Geistesblitz heiterte Miguel schlagartig auf, und er rieb sich zufrieden die Hände. Gleich bei seinem nächsten Besuch in Santa Cruz würde er sich nach einem Verwalter umschauen, beschloss er. Und in der Zwischenzeit wollte er ein deutliches Wort mit Mirijam reden.
Eine erste Gelegenheit dazu bot sich schon bald. In mancherlei Hinsicht hatte seine Frau nämlich regelrecht absurde Vorstellungen, die er ihr auszutreiben gedachte. So gab es unter ihren Arbeitern zum Beispiel keine Sklaven. Mirijam hatte sie allesamt schon vor Jahren freigelassen und bezahlte ihnen seither regelmäßig Lohn.
» Mädchen, was für eine Geldverschwendung!«, polterte Miguel, als er davon erfuhr. » Gute Behandlung, natürlich. Meinetwegen auch mit allem, was deiner Meinung nach dazugehört, wie ausreichendem Essen und Kleidung, ja sogar Krankenpflege, wenn es sein muss. Aber Lohn? Das kann ich nicht gutheißen.« Niemand konnte das, solch verschwenderische Gutherzigkeit musste man ihr dringend ausreden.
Und der Kapitän redete, brachte Beispiele und Erläuterungen, erzählte, verglich und endete schließlich mit der Frage: » Wie sieht das denn aus? Wie stehe ich da, wenn sich meine Frau so verrückt aufführt?« Mirijam hörte ihm ruhig zu, und einmal nickte sie sogar zustimmend.
Na also, dachte Miguel zufrieden, sie war eben doch ein kluges Mädchen, das den guten Argumenten ihres Ehemannes folgte. Das gefiel ihm. Miguel nahm sie in die Arme, um sie mit einem herzlichen Kuss zu belohnen.
Dann jedoch machte Mirijam alles mit einem einzigen Satz zunichte. » Du warst niemals selbst Sklave, danke Gott dafür.« Verblüfft ließ Miguel die Arme sinken. Gegen ein solches Argument war er natürlich machtlos.
Bevor er sich jedoch beleidigt zurückziehen konnte, entdeckte er etwas Neues, einen noch größeren Skandal, den er unverzüglich abzustellen gedachte.
Mirijam verließ jeden Tag in aller Frühe, selbst nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht, in der sie kaum zum Schlafen gekommen war, schon bei Sonnenaufgang ihr Lager. Der Grund war, dass sie an jedem Morgen, den Gott werden ließ, ein Stunde lang Kranke und Ratsuchende empfing, das hatte ihm jedenfalls ihre Dienerin Haditha verraten. Jedermann war ihr willkommen, vom zahnenden Säugling bis zur gichtgeplagten Wäscherin. Das war bezeichnend für eine so barmherzige, mitleidige Frau, hatte er zunächst gedacht. Gegen Nächstenliebe und Mildtätigkeit hatte er nichts einzuwenden.
Dann aber hatte er herausgefunden, dass sie nicht nur Salben, Tinkturen und irgendwelche Tees an die Kranken verteilte, nein, sie beschenkte die Leute auch mit weißen Rübchen und Zwiebeln, mit Zitronen und Melonen aus ihrem Garten. Auch gut, hatte er zunächst noch gedacht, wenn wir genug von dem Grünzeug haben, warum nicht?
Aber kürzlich dann hatte er voller Entsetzen festgestellt, dass sie kranken Arbeitern sogar den Lohn weiterzahlte, selbst wenn die Leute tagelang nicht zur Arbeit erschienen! Wo, bei allen Heiligen, gab es denn so etwas, und wohin sollte das führen?
Er eilte die Treppe zum Turmzimmer hinauf, machte zwei große Schritte in den Raum hinein und warf die Tür hinter
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