Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
kam es ihm allerdings so vor, als seien derart komplizierte Wissenschaften wie Mathematik oder Astrologie für seine Frau Kleinigkeiten, was ihm kein geringes Unbehagen bereitete. Wenn er da an die Mühe dachte, die ihm schon allein das Lesen bereitete! Und weil sie so talentiert und gelehrt war – und damit kam die Kehrseite ihrer Gelehrtheit zum Vorschein, die ihn noch mehr verunsicherte –, fasste sie ihre Entschlüsse allein.
Mehrmals fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare und kratzte sich den Kopf. Es war wirklich zum Haareraufen! Sie bestimmte wie ein Mann und führte ihre Geschäfte unabhängig und selbstständig. Dabei hatte er ursprünglich angenommen, sie handle als der verlängerte Arm des Sherifs. In dem Punkt hatte er sich jedoch gewaltig geirrt. Und das gefiel ihm nicht, nein, ganz und gar nicht. Verhielt sich so eine verheiratete Frau? Statt sich um Frauensachen wie den Haushalt und um ihn und sein Wohlergehen zu kümmern, war sie ständig mit irgendetwas Dringendem oder Wichtigem beschäftigt und mit ihren Gedanken woanders.
Immerzu kam jemand, der etwas wissen wollte oder irgendeine Entscheidung von ihr erwartete. Dabei ging es um Termine, um Vorratshaltung, um den Bau von Lagerraum, den Ankauf eines neuen Bootes und dergleichen. Dabei musste sie das alles doch nicht mehr selbst tun, das war doch albern, jetzt, wo er, ihr Ehemann, da war und ihr zur Seite stand!
Miguel durchmaß den Garten mit großen Schritten, ohne den Rosen und den anderen Blumen auch nur einen Blick zu schenken. Stattdessen knirschte er mit den Zähnen.
Heute Vormittag zum Beispiel befand sich Mirijam außer Haus. » Es dauert nicht lange«, hatte sie ihm flüchtig zugerufen. » Bis zum Mittagsmahl bin ich zurück.« Und schon war sie fort. Weder hatte sie ihn um Erlaubnis gefragt, noch hatte sie ihm mitgeteilt, wohin sie ging. Dieses Benehmen musste sich ändern, und zwar schnell, bevor er anfing, sich zu ärgern.
Dabei sehnte er sich nach ihr, kaum dass sie ihm den Rücken gekehrt hatte. Seit er sie kannte, ging das schon so, und obwohl er sich manchmal über sie ärgerte, wurde ihm das Zusammensein mit Mirijam doch nie zu viel. In den ersten Wochen hatten sie viel Zeit miteinander verbracht und waren jeden Tag ausgeritten oder hatten Spaziergänge am Strand oder in der Oase unternommen. Wie viel sie in diesen Tagen gelacht hatten! Später waren die Werkstätten zu besichtigen, und voller Stolz hatte Mirijam ihm alles erklärt. Jedes Detail bei der Kalkbrennerei, der Wollverarbeitung und in der Färberei hatte sie ihm vorgeführt. Erst durch ihre ausführlichen Erklärungen hatte er verstanden, dass in Wahrheit sie die Herrin über alles war und nicht etwa der Sherif. Damals hatte ihn das noch eher erstaunt als gestört, aber heute fand er es gar nicht mehr angemessen.
Er erinnerte sich gut, wie sie eines Morgens zu ihm gesagt hatte: » Mein lieber Miguel, ab heute werde ich mich wieder mehr um meine Arbeit kümmern müssen. Vieles bleibt unerledigt oder wird übersehen, wenn ich nicht ein Auge darauf habe, das kann so nicht weitergehen.«
Zuerst hatte er darüber gelacht. Doch anscheinend hatte sie allen Ernstes vor, ihr bisheriges Leben nach der Hochzeit unverändert fortzusetzen, und das Lachen war ihm schnell vergangen. Sie tat einfach, was sie wollte.
Merkte sie denn nicht, dass sie aus ihm einen Hanswurst machte? Es würde ihn nicht wundern, wenn die Leute längst hinter vorgehaltener Hand über ihn tuschelten. Dabei hatte er versucht, ihr zu helfen und sich mit seinem Wissen einzubringen. Ihn zum Beispiel faszinierte die Kalkbrennerei. Stundenlang konnte er zusehen, wie die Arbeiter aus stinkigen Schneckenhäusern so etwas Nützliches wie Baukalk herstellten. Mirijam und Sîdi Alî hatten sich alles selbst ausgedacht, vom Aufbau der Öfen über das Brennen bis zum Verkauf. Eine gute Sache, gewiss, aber doch keine Frauenarbeit. Da musste ein Mann ran, der wusste, wo es langging.
Als er jedoch Verbesserungsvorschläge zum Brennvorgang beitragen wollte, musste er schon bald einsehen, dass die Beschaffung von richtigem Brennholz tatsächlich unerhört schwierig war. Hier in der Gegend gab es außer den kostbaren Lebensbäumen einfach nicht genügend Holz, und es aus den fernen Gebirgen heranzuschaffen, lohnte sich nicht. Also wurden die Öfen weiterhin mit trockenen Palmwedeln, Holzabfällen und allerlei sonstigem Brennbaren betrieben. Dass er mit seinem Vorschlag gescheitert war, verdross ihn immer noch. Im
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