Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
ausgetreten. Nein, er musste wieder los, und zwar lieber heute als morgen.
Seit Wochen spukte ihm ein neues Ziel im Kopf herum, und dazu ein aufregender Plan. Je länger er über diese Idee nachdachte und die verschiedenen Punkte verglich und gegeneinander abwog, desto zwingender fand er sein Vorhaben. Dieses Mal würde er nämlich nicht das piratenverseuchte und von türkischen Galeeren wimmelnde Mittelmeer durchstreifen, vielmehr sollte es nun erstmals nach Norden gehen. Bei dem Gedanken daran kribbelte es in ihm. Nach Antwerpen wollte er!
» Man muss nur eins und eins zusammenzählen und den Nutznießer eines solchen Unglücks suchen«, hatte Mirijams alter Abu ausgeführt und damit sofort Miguels Zustimmung gefunden. » Gibt es keinen oder gibt es mehrere, so ist die Schlussfolgerung nicht klar. Gibt es aber einen einzigen eindeutigen Gewinner, so ist zumindest ein Verdacht gerechtfertigt, wenn nicht sogar dessen Schuld offensichtlich.«
In diesem Fall gab es in der Tat einen eindeutigen Gewinner, denn immerhin hatte dieser Advocat Cohn das Handelshaus bereits kurz nach dem Überfall übernommen. » Wäre der Mann nun ein ehrlicher Treuhänder, ein aufrechter Hüter des Erbes meiner Tochter und ihrer Schwester, so hätte ich in den letzten Jahren mit Sicherheit von irgendwelchen Nachforschungen seinerseits erfahren. Doch das Einzige, was ich in Erfahrung bringen konnte, war, dass er es offenbar auf den Tod der Mädchen abgesehen hatte.« Der alte Sherif hatte müde mit der Hand abgewinkt. » Mirijam weiß natürlich davon, doch ich habe mit ihr so wenig wie möglich darüber gesprochen. All das hat ihre Seele damals sehr belastet, es hat sie sogar ernsthaft krank gemacht. Allmählich glaube ich jedoch, dass sie Gewissheit haben sollte, und du als ihr Ehemann hast sowohl das Recht wie auch die Möglichkeit, diese Angelegenheit ein für alle Mal zu klären.«
Also würde er zwei ausgezeichnete Reisegründe miteinander verbinden: Er würde in Antwerpen Nachforschungen anstellen und zugleich Handel treiben. Als freier Kapitän musste er schließlich auch an gewinnbringende Geschäfte denken.
Mit der feinen Baumwolle aus Ägypten, überlegte er, und mit der indischen Seide, die durch Mirijams Färberkünste veredelt worden waren, sollte er in den reichen Städten des Nordens eigentlich für Aufsehen sorgen. Dort gab es nicht nur mächtige Adelshäuser und Kirchenfürsten, auch reiche Kaufleute hatten dort zunehmend Bedarf an Luxuswaren. Diese Reise war nicht nur notwendig, mit etwas Glück konnte sie außerdem überaus ertragreich werden.
Miguel rollte sich auf die Seite und schloss die Augen. Nun, da er seinen Entschluss gefasst hatte, fühlte er sich ruhig und wieder Herr der Lage. Die leichte Decke hob sich, ein Körper glitt darunter und schmiegte sich an ihn. » Hm«, seufzte Miguel und tat, als liege er in tiefem Schlaf.
Mirijam liebte es, morgens, nachdem sie die Arbeiter eingewiesen und die Aufgaben für den Tag verteilt hatte, noch einmal zu Miguel unter die Laken zu kriechen. Sie war auch heute wieder bei Morgengrauen aufgestanden, bevor die Hitze kam, nun aber zog es sie zu ihrem Mann. Seine Arme umfingen sie, und in die Höhlung seines Leibes geschmiegt dämmerte sie einen Moment, dann jedoch zeigte ihr eine unmissverständliche Regung an einer bestimmten Stelle seines Körpers, dass er wach war.
» Willst du mich?«, fragte er, wie er es immer tat, und lachte leise, als sie zustimmend nickte.
Bald musste er ihr von seinen Reiseplänen erzählen, ging ihm durch den Kopf, doch das hatte noch ein wenig Zeit. Dann liebte er sie wortlos und zärtlich.
Während Miguel zum Hafen schlenderte, wandte sich Mirijam in die entgegengesetzte Richtung, um Aisha aufzusuchen. Ihre unreinen Tage waren zwar erst einmal ausgeblieben, aber sie wollte Gewissheit haben. Bis jetzt hatte sie Miguel gegenüber mit keiner Silbe etwas von ihrer Vermutung angedeutet.
Besonders wohl fühlte sie sich nicht dabei, sie wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. Denn obgleich Miguel mit ihr längst nicht immer alles besprach, was ihn beschäftigte, und viele seiner Überlegungen für sich behielt, beinahe, als traue er ihr das nötige Verständnis nicht zu, wollte sie sich daran kein Beispiel nehmen. Falsche Hoffnungen wollte sie andererseits aber auch nicht wecken.
Trotz der Hitze beeilte sie sich, und sobald sie in den Schatten der Oasengärten eintauchte, fühlte sie sich wunderbar belebt. Dieses satte Grün, diese kräftigen,
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