Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
sich zu.
» Miguel? Was ist los?«, rief Mirijam und sprang auf. » Ist etwas mit dem Abu?«
» Abu? Unsinn, lenk nicht ab. Du zahlst deinen Leuten Lohn, obwohl sie nicht zur Arbeit erscheinen? Wo hat man so was schon gehört?«, erregte er sich. » Du kannst sie doch nicht bezahlen, wenn sie nicht arbeiten! Die machen sich einen schönen Tag, schlafen sich aus, trinken Tee, und du wirfst ihnen noch dein gutes Geld hinterher? Die lachen dich aus, diese Taugenichtse, das ist Anstiftung zur Unordnung! So etwas gehört sich nicht nur nicht, es ist dumm und verschwenderisch!«
» Ach das meinst du. Was sind schon die paar Münzen?«, erwiderte Mirijam. Sie setzte sich und nahm ihre Schreibfeder wieder auf. » Wenn es ihnen besser geht, kommen sie ja wieder. Es sind von mir mühsam angelernte Leute, und die meisten von ihnen arbeiten sehr gut.«
» Glaube mir«, sagte er und bemühte sich um Ruhe, » wenn man den Leuten den kleinen Finger gibt, so fordern sie bald die ganze Hand, das ist so. Lebenserfahrung, hörst du? Man darf niemals allzu großzügig sein, das rächt sich irgendwann. Aus tüchtigen Arbeitern werden schnell Faulenzer, wenn sie sich nicht anstrengen müssen. Man darf sie nicht mit Honig füttern, man muss sie im Gegenteil hart anpacken, sonst kommen sie auf dumme Gedanken.«
Erregt ging Miguel im Zimmer auf und ab. Der wunderbaren Aussicht von hier oben schenkte er keinen Blick.
Mirijam hatte den Kopf gesenkt.
» So geht das jedenfalls nicht weiter«, fuhr er energisch fort. » Wenn ich das nächste Mal in Santa Cruz bin, werde ich mich nach einem guten Verwalter umhören und einen Mann einstellen, der die Leute vernünftig anleitet und beaufsichtigt und der das Geld zusammenhält.«
Mirijam verstand nicht gleich. » Meinst du?«, fragte sie. » Ich habe selbst schon einmal daran gedacht, aber was sollte der Verwalter denn tun? Nach eigenem Gutdünken könnte ich ihn ja wohl kaum entscheiden lassen. Er dürfte doch nur das tun, was ich ihm auftrage.«
» Meine Liebe, du meinst sicher, was ich ihm auftrage. Ich werde nämlich schleunigst dafür sorgen, dass du mehr Zeit für mich hast. Für mich, für deinen alten Vater und für all die Dinge, die eine Frau so im Allgemeinen im Hause tut.«
Eine tiefe Röte schoss über Mirijams Gesicht. » Was ist, Miguel? Habe ich dich vernachlässigt?«
» Ach, na ja.« Miguel druckste herum. Von einem auf den anderen Moment war sein Zorn wie weggeblasen. Dabei musste er diese Gelegenheit nutzen, das spürte er genau. Aber sie sah so unglaublich zart und jung aus, wie sie da vor ihm über ihren Büchern saß und mit unschuldigen Augen zu ihm aufblickte. Wie konnte er ihr böse sein? Außerdem, letzten Endes gab sie sich durchaus Mühe, das musste er anerkennen.
» Nein, nein«, sagte er deshalb schließlich und zog sie an sich. Mirijam schmiegte sich an seine Brust und bot ihm ihre Lippen zum Kuß. » Wir haben eben manchmal verschiedene Ansichten.«
Versager, ärgerte er sich, als er das Turmzimmer verließ und über den Kai und durch die angrenzenden Hafengassen schlenderte, elender Schwächling, der vor seiner Frau in die Knie ging. Doch mit der Zeit würde sie schon noch lernen, ihr Verhalten zu ändern, tröstete er sich. Auf einem Verwalter allerdings würde er bestehen, und bis er einen gefunden hatte, mochte seinetwegen alles beim Alten bleiben.
56
Langsam wurde es Zeit, überlegte Miguel, bald nahte der Herbst. Während er die bemalte Decke über dem Bett betrachtete, wanderten seine Gedanken hin und her. Das Meer wurde schon merklich stürmischer, hatte er beobachtet. Noch ein paar Wochen an Land und er brauchte in diesem Jahr überhaupt nicht mehr loszusegeln! Dabei lockte ihn die See, seine Kiste war gepackt, und seine Karten lagen griffbereit auf dem Tisch.
Mirijam zu verlassen, und sei es auch nur für zwei, drei Monate, würde ihm schwerfallen, andererseits aber wurde er von Tag zu Tag unruhiger. Das Leben an Land nützte sich schneller ab als gedacht. Natürlich konnte er jederzeit den Festungskommandanten zu einem Spielchen aufsuchen oder den portugiesischen Medicus und den Priester, beides Männer, mit denen sich ausgezeichnet unterhalten ließ. Oder er konnte mit dem Sherif plaudern, ein Thema fanden sie eigentlich immer.
Doch was ihn wirklich störte, war die Beständigkeit, auf die hier alles angelegt war. Abends wusste man bereits, was einen am nächsten Morgen erwartete, und alle Wege, die er ging, waren längst von anderen
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