Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
wundert man sich, dass Euer Haus bereits seit Jahren keinem der an Flüssen oder Küsten anerkannten Schiffsmeister und Frachtkapitäne mehr einen Auftrag gegeben hat.« Vielsagend zog Miguel erneut die Brauen in die Höhe. Er dehnte die Pause aus.
» Was aber soll man davon halten, wenn jemand zum Beispiel all sein Kupfer und Zinnerz auf, nennen wir es einmal vorsichtig, unbekannten Wegen über Land transportieren lässt?«, legte er schließlich nach. » Und wohin mag es auf ebendiesen Wegen wohl geliefert werden, wer könnte der Empfänger sein? Auch so etwas fragt man sich natürlich.«
» Ihr wisst davon?« Das freundliche Gesicht des Mannes verfärbte sich rot, lediglich die Warze neben der Nase leuchtete hell hervor.
» Nicht nur ich. Man hört so dieses und jenes«, nickte Miguel. » In jeder Taverne, in jedem Hafen redet man über verbrecherische Geschäfte und allgemein über unlauteres Gebaren im Hause van de Meulen.« Starker Tobak und durch nichts bewiesen, dachte Miguel, aber das brauchte er dem Schreiber ja nicht auf die Nase zu binden.
Medern stotterte: » Ich habe mit alledem nichts zu schaffen, das müsst Ihr mir glauben! Sint Maarten ist mein Zeuge!«
Miguel schwieg und wartete mit hochgezogenen Augenbrauen.
Schließlich gab sich der kleine Antwerpener einen Ruck. » Erinnert Ihr Euch an das große Geschrei vor ein paar Jahren, als man im Böhmischen allerlei Schätze wie Silber und verschiedene Erze in den Bergen entdeckt hatte?«
Miguel hatte zwar keine Ahnung, dennoch nickte er.
» Gleich darauf wurde es auffallend still um diese Lagerstätten. Von heute auf morgen hörte niemand mehr etwas über Schürffunde, über Eisenerze, Hammerwerke oder dergleichen. Nun, die Erklärung für das ungewöhnliche Schweigen seinerzeit ist denkbar einfach.« Kaum ins Reden gekommen, kostete der Kontorist das offenkundige Interesse des Kapitäns sichtlich aus. » Die ertragreichsten Bergwerke gehören mittlerweile uns, ich meine, meinem Herrn. Er lässt dort Blei, Zinn und sogar Silber aus der Erde holen und von verschwiegenen Leuten auf Flüssen oder dem Landweg nach Osten bringen, genau wie Ihr es sagtet. Nicht selten werden dabei engste Saumpfade, besonders gern durch menschenleere Gebiete oder geheime Schmugglerwege benutzt, davon habe ich mich erst kürzlich selbst überzeugt.« Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, bevor er erneut ansetzte: » Neben diversen Zollstationen, die man auf diese Weise vermeidet, entgeht man natürlich auch der Überwachung durch die jeweiligen Landesherren. Denn geht es allein um das Einsparen von Zöllen? Ich frage Euch, Kapitän, warum diese Mühen mit dem Transport und warum ausgerechnet, noch dazu in dieser Heimlichkeit, nach Osten? Na, was meint Ihr? Welche zahlungskräftigen Abnehmer könnte man dort Eurer Meinung nach wohl finden?«
Miguel überlegte nur kurz. Dann nickte er bedächtig, er hatte verstanden. » Ich ahne, Meister Joost, worauf Ihr hinauswollt. Ihr meint die Osmanen, den türkischen Sultan, habe ich recht?«
Joost Medern wedelte abwehrend mit den Händen. » Von mir habt Ihr das nicht! Aber ganz im Vertrauen, es ist tatsächlich mehr als ein bloßes Gerücht. Immerhin habe ich die Gegend selbst bereist, habe mit Leuten geredet und Bücher geprüft. Eine Schande ist das, eine Schande! Doch nicht nur, dass er dem Osmanen Rohstoffe verkauft, aus dem Kanonen und andere Waffen hergestellt werden, die sich natürlich irgendwann gegen unsere Soldaten richten werden, nein, es kommt noch schlimmer!«
» Noch schlimmer? Mann, Ihr wisst nicht, was Ihr sagt!«
» Oh doch, Kapitän Alvaréz, das weiß ich sogar sehr gut! Wie würdet Ihr es denn nennen, wenn jemand in einer versteckten Münze ungute Geldstücke schlagen lässt? Hecktaler, gekippte Silberstücke mit beschnittenen Rändern, wohlgemerkt?« Dazu ahmte er mit den Fingern das Ritschratsch einer Schere nach. » Ihr als Kaufmann werdet ja wohl wissen, was das bedeutet.«
Das wusste Miguel in der Tat. Nicht nur dass man allerorten mit der Umrechnung der verschiedensten Münzen seine Last hatte, zusätzlich tauchten auch immer wieder falsche Florins, Silbertaler und sogar Dukaten mit zu geringen Gewichten auf. Dabei handelte es sich um sogenannte Kippermünzen, deren Umfang unauffällig verkleinert war oder die lediglich aus einem Eisenkern mit dünnerem Gold- oder Silberüberzug bestanden. Gefälschte venezianische Golddukaten, die ihm ein levantinischer Zwischenhändler für eine Ladung Salz
Weitere Kostenlose Bücher