Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
mitzumischen. Doch beides hätte sich nur dann gelohnt, wenn er mit seiner Santa Anna im Konvoi einer größeren Flotte mitgesegelt wäre. Das aber hätte eine weitgehende Aufgabe seiner Selbstständigkeit zur Folge gehabt, wozu er nicht bereit war. Und dann war da ja auch noch der gefahrvolle Weg um das Kap an der Südspitze Afrikas herum. Wer konnte bei den unberechenbaren Strömungen und Winden das Risiko schon ehrlich einschätzen? Er jedenfalls liebte das Leben zu sehr, um es mutwillig aufs Spiel zu setzen. Nein, mit einer solchen Reise waren zu viele Unwägbarkeiten verbunden, da blieb er doch lieber in seinem Mittelmeer und an der afrikanischen Küste, noch dazu, wo er mittlerweile eine Familie hatte.
Der Hafenmeister riss sich erneut seine federgeschmückte Kappe vom Kopf. Er schien innerlich geradezu zu kochen. » Unsere Schiffe haben mehr Schätze aus der Neuen Welt an Bord, als man sich vorstellen kann, Juwelen, schwere Ketten aus purem Gold und Götzenbilder der Wilden und andere Kostbarkeiten. All das schaffen sie herbei, zur Ehre Gottes, zur Ehre seiner Heiligen und der Kirche, und natürlich für des Königs Schatzkammer. Pah! Habt Ihr schon einmal von einem gehört, der Gold und Silber aussät, erntet und zu Mehl für das Brot vermahlt?«
Die Berichte über märchenhafte, unerschöpfliche Silberminen und Goldfunde aller Art, über den stetig wachsenden Reichtum der portugiesischen Granden und der Krone machten schon seit Jahren in jedem Hafen des Mittelmeeres die Runde. Über die katastrophalen Folgen für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aber hatte Miguel noch niemals ein Wort vernommen.
Landwirtschaft war in seiner alten Heimat seit langem nur begrenzt möglich, es gab einfach zu wenig fruchtbaren Boden. Deshalb kam schon lange beinahe das gesamte Getreide über den Seeweg, ein Wegfall von Transportschiffen bedeutete demnach zwangsläufig Mangel oder gar Hunger, wie man nun sehen konnte.
Was, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, was wäre, wenn er sich zukünftig mehr mit dem Getreidehandel befasste? An den Küsten rund um das Mittelmeer gab es weiß Gott genug Korn, außerdem besaß er viele nützliche Kontakte, das sollte also kein Problem darstellen. Vielleicht tat sich hier ein neuer Geschäftszweig für ihn auf? Zunächst müsste man allerdings die Santa Anna ein wenig umrüsten, aber das wäre machbar. Oder aber man müsste ein neues Schiff von vornherein für diesen Zweck bauen lassen.
Zunächst sollte er allerdings die Angelegenheit in Antwerpen erledigt haben. Niemand konnte sagen, wie es dort laufen würde. Und danach? Nun, man würde sehen. Miguel verschränkte erneut die Hände unter den Schößen seines Wamses und lauschte geduldig den fortdauernden Klagen des Hafenmeisters.
Mittlerweile saßen sie in einer der Hafenkneipen bei dem zweiten Krug Wein, und Rouxinol lamentierte immer noch vor sich hin. Miguel steuerte behutsam auf die Fragen, die ihm auf den Nägeln brannten, zu.
» Ich jedenfalls gehe nicht nach Übersee, ich bleibe in meinem angestammten Mittelmeer«, bemerkte er. » Und das guten Gewissens. Für Getreide ist meine kleine Santa Anna allerdings nicht geeignet, ich bringe in ihren Laderäumen ja gerade mal ein paar Stoffballen und ein bisschen Salz und Wein unter. In diesem Zusammenhang, verehrter Senhor Rouxinol: Was könnt Ihr mir Aktuelles über die geschäftlichen Gepflogenheiten in Antwerpen sagen? Ihr seid doch ein weltläufiger und erfahrener Mann und hört so einiges. Bestehen die Stadtväter dort bei fremden Kaufleuten nach wie vor auf ihrem Stapelrecht? Oder habt Ihr von Möglichkeiten gehört, wie man dort direkten Handel treiben kann? Wie hoch sind die Zölle? Wie Ihr wisst, bin ich auf dem Weg dorthin, aber leider kenne ich mich dort nur wenig aus.«
» Antwerpen? Richtig, das sagtet Ihr bereits. Dann geht’s wohl zu den Messen von Brabant, wo Ihr Eure Waren mit den angesehenen englischen Tuchen vergleichen wollt? Ich selbst kenne mich dort leider ebenfalls nicht gut aus, dennoch weiß ich glücklicherweise Rat. Zufällig, verehrter Capitão, weilt derzeit nämlich ein gebürtiger Antwerpener in der Stadt, der auf dem Weg in seine Heimat hier gestrandet ist. Vielleicht könntet Ihr ihn an Bord Eures Schiffes mitnehmen?«
Rouxinol warf ihm einen schnellen Blick von der Seite zu, während er angelegentlich an einem Fleck auf der Tischplatte herumwischte wie ein Junge, der etwas zu verbergen hatte. Miguel schwieg abwartend und
Weitere Kostenlose Bücher