Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Lucia stand und mit seinen Pranken ihre Brüste umfasst hielt, presste seinen Unterleib an ihren Körper und rieb sich daran. Er lachte. Lucia versuchte, ihre Überwältiger zu treten und zu beißen. Die verfilzten Haare hingen über ihr verzerrtes Gesicht, und die Augen funkelten vor Angst, Hass oder Wahnsinn. Oder vor alledem zugleich.
Eilig hinkte der alte maurische Heiler herbei. Er lehnte sich auf seinen Stock, entnahm seinem Gewand ein Fläschchen, tränkte ein Tuch mit der grünlichen Flüssigkeit daraus und drückte das Tuch kurzerhand auf Lucias Gesicht. Beinahe im gleichen Augenblick wurde das Mädchen ruhig. Die Gesichtszüge entkrampften sich, ihre Augen fielen zu, und sie sank in sich zusammen. Leblos hing sie im festen Griff der beiden Piraten, bis sie sie auf einen Wink des alten Heilers auf den Boden legten.
Mirijam fiel neben der Schwester auf die Knie. » Lucia!«, flehte sie. » Bitte, lass mich nicht allein!«
Doch ihr Betteln blieb ungehört, Lucia rührte sich nicht. » Oh bitte nicht, komm zurück, bitte, bleib bei mir!« Keine Reaktion.
Der Heilkundige stieß Mirijam mit seinem Stock an. Sie fuhr auf. » Was hast du mit ihr gemacht? Warum hast du sie getötet? Sie hat niemandem etwas zuleide getan!«
Durch den Schleier ihrer Tränen erkannte sie, dass der Alte den Kopf schüttelte. Er bückte sich, griff nach Mirijams Hand und legte sie auf Lucias Brust. Das Herz der Schwester schlug, zwar hastig und unregelmäßig, aber immerhin, es schlug.
» Sie ist krank. Sie war in Gefahr, den Verstand zu verlieren, verstehst du?«, erklärte der alte Maure und richtete sich stöhnend wieder auf. » Es ist die hystera, eine Gemütskrankheit, von der schon die Alten sprachen. Ich habe ihr einen heilenden Schlaf geschenkt, der ihr guttun wird«, ergänzte er, bevor er sich umwandte und langsam durch den Sand zu den Betenden zurückhumpelte.
Mirijam aber klammerte sich an diese Worte wie an eine Rettungsleine, während sie Lucias Kopf auf den Schoß zog und sich immer wieder vergewisserte, dass die Schwester tatsächlich atmete. Nur ein Schlaf, sagte sie sich, ein heilsamer Schlaf, und fuhr fort, Lucias Gesicht und Haare zu streicheln.
Während das am Strand gestapelte Frachtgut auf die Lasttiere verteilt wurde und der Tross schon bald über den gleichen Weg verschwand, der ihn gestern Abend hierhergeführt hatte, begab sich der Kommandant an Bord der Palomina. Kurz darauf wurden die Gefangenen unter Peitschenhieben zurück zum Schiff getrieben. Einer der Korsaren trat zu den beiden Mädchen. Sein Blick ging von Mirijam zu Lucia und zurück, als überlege er sein weiteres Vorgehen. Dann griff er kurzentschlossen nach Mirijam, hob sie hoch und legte sie wie einen Sack über seine Schulter.
» Lass mich runter«, rief sie. Sie schlug mit den Fäusten und strampelte. » Lass mich zu Lucia!«
Doch der Bärtige lachte nur. Er packte ein wenig fester zu und trug Mirijam durch das Wasser in ein Boot. Danach holte er auf die gleiche Weise die immer noch bewusstlose Lucia und ruderte mit beiden zum Schiff. Dort hievte er die Mädchen über die Strickleiter an Bord der Palomina und ließ sie auf das Deck fallen.
Reglos lag Lucia neben Mirijam auf den Schiffsplanken, mit zerwühlten Haaren und roten Striemen an Armen und Beinen von den rohen Griffen des Piraten. Ihre Brust hob und senkte sich regelmäßig. Mit Mühe zog Mirijam Lucias schlaffen Körper in den Schutz der Aufbauten, wo sie sich sicherer fühlte. Sie lehnte den Rücken ans Holz, zog Lucias Kopf in den Schoß und wischte sanft die verklebten Haare aus ihrem Gesicht. Sie zitterte. Die Beine zitterten und auch die Hände, die Lucias Herzschlag nachspürten und ihre Wangen streichelten. Es musste jetzt ein Ende haben, mehr Schrecken hielt sie nicht aus.
Mast und Steuer waren inzwischen provisorisch repariert worden, denn die Reise sollte auf der Palomina fortgesetzt werden. Zuvor aber mussten sich alle an Deck versammeln. Hoch aufgerichtet stand der Kommandant der Korsaren auf dem Achterkastell, die Arme in die Seiten gestemmt, und hielt eine Ansprache. Seine Worte wurden von einem der ehemaligen Galeerensklaven übersetzt, der diese Aufgabe voller Genugtuung ausführte. » Ihr Christenschweine«, begann der frühere Sklave, und man konnte sehen, mit welchem Genuss er diese Worte aussprach, » ihr ungläubigen Christenschweine werdet ab heute für unseren geliebten Sultan Süleyman, Allah gebe ihm ein langes Leben, und zum Ruhme Allahs, sein Name
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