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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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sich wirklich gut, dachte er wie schon einige hundert Male zuvor. Es war ein schönes und bequemes Refugium geworden, das er sich in der Kasbah Tadakilt geschaffen hatte. Dort fehlte es ihm an nichts. Was also sollte er in Genua oder überhaupt in Italien? Schon seit langer Zeit sehnte er sich nicht mehr nach der früheren Heimat zurück, irgendwann war die Sehnsucht nach den Orten seiner Kindheit und Jugend verschwunden. In der Kasbah gab es reichlich gutes Wasser, die Früchte der Oase ernährten ihn und seine Leute, und er konnte als geachteter Arzt und Gelehrter sein Leben in konzentrierter Abgeschiedenheit führen. Seine umfassende wissenschaftliche Bibliothek, die Erforschung der Gestirne sowie seine alchimistischen Studien erfüllten die Tage und die langen und häufig schlaflosen Nächte voll und ganz. Sicher, das eine oder andere hätte ihn auch jetzt noch zum Reisen verführen können, die Welt war schließlich voller ungelöster Rätsel, aber wirklich drängend waren diese Geheimnisse für ihn schon längst nicht mehr.
    Am Abend fragte er, was man ihr im Kerker angetan habe. » Hat man dich geschlagen?«
    Mirijam schüttelte abwehrend den Kopf. Sie würde nichts sagen, nichts erklären, sie würde noch nicht einmal daran denken, das hatte sie sich fest vorgenommen. Sie biss die Zähne zusammen und hielt die Augen gesenkt.
    » Dann hat man dir also anderweitig Gewalt angetan? Dir deine Jungfräulichkeit geraubt?«
    Sie kämpfte mit den Tränen. Warum quälte er sie? Unvermittelt kam das Entsetzen mit Wucht zurück. Sie rang nach Luft, als müsse sie ersticken, als legten sich die Hände des fetten Schreibers erneut über Mund und Nase und …
    » Ganz ruhig, mein Kind, ganz ruhig. Ich sagte dir bereits, ich bin Arzt, ein Hakim, wie man hier sagt. Mir ist nichts fremd. Nicht die guten Gaben und edlen Taten, aber eben leider auch keine Grausamkeiten und Schlechtigkeiten, zu denen Menschen imstande sind.« Er nahm ihre Hände und streichelte sie. Seine feingliedrigen Finger fühlten sich warm, sanft und freundlich an. Langsam wurde sie ruhiger, und sie konnte wieder freier atmen.
    » War es hier?«, fragte er leise und legte behutsam seine Hand auf ihren Bauch. Er lächelte traurig, als Mirijam einen Satz zurück machte.
    Sie schüttelte den Kopf. Ob sie diesem freundlichen alten Arzt mit den blauen Augen nicht doch vertrauen konnte? Anders als der Heiler an Bord strahlte er Güte und Gelassenheit aus, als habe er tatsächlich schon alles Gute und Böse kennengelernt, wie er sagte. Bestimmt konnte er ihr helfen, vielleicht wusste er sogar, wohin man Lucia gebracht hatte?
    Sie schlug die Augen nieder. Schließlich überwand sie sich. Schamrot und zögernd deutete sie auf ihre Rückseite.

17
    Er hatte ihr eine Salbe bereitet, die kühlte und ein wenig die Schmerzen linderte. Außerdem hatte er ihr gezeigt, wie man ein Turbantuch so zu einem chêche wickelt, dass Kopf und Gesicht geschützt waren. Man musste sich unbedingt gut bedecken, hatte er gesagt, im Sommer gegen die Sonne, den unablässigen Wind und die gleißende Helligkeit der Salzebenen und jetzt, im Winter, natürlich gegen Regen und Kälte.
    Er selbst litt sichtlich unter dem nasskalten, unfreundlichen Wetter und hatte sich in seinen dicken Kapuzenumhang gehüllt. Mirijam musste mit ihrer Decke zurechtkommen, die sie mit einem Strick über Schultern und Rücken gebunden hatte, so dass sie sich einigermaßen geschützt fühlte. An den nackten Füßen jedoch fror sie. Chekaoui, der gutmütige Schwarze mit den krausen Haaren und dem breiten Lachen, gab ihr ein paar Lumpen und fertigte aus einem Stück Leder einfache Sandalen für sie an.
    » Wir müssen mit Schnee rechnen«, erklärte er. » Allah sei Dank müssen wir nicht über die hohen Berge. Aber schon morgen werden wir die Wüste erreichen, und dort kann es in der Nacht recht kalt werden. Wer nicht gut auf sich aufpasst und ohne Schutz ist, den holen die Dschinn. Also brauchst du Schuhe.«
    Schon wieder diese Geister, dachte Mirijam. Sie bewohnten offenbar nicht nur das Meer, sondern auch die Wüste.
    » Chekaoui hat recht, die Wüste ist mächtig und gefährlich. Sie ist Allahs Garten, in dem er ungestört wandeln kann. Wir Menschen sind zu klein für die Wüste, deshalb müssen wir uns vor ihr schützen.«
    Der Diener lachte mit großen weißen Zähnen und nickte lebhaft. Ein Lob aus dem Mund seines Herrn machte ihn stolz. Dieser Schwarze schien alles zu können und zu wissen. Mirijam

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