Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Wüste eindrangen. Zwischen Sanddünen und verstreuten Oasen, zwischen steinigen oueds, wie die trockenen Flußbetten genannt wurden, und dem einen oder anderen Nomadenzelt führte Chekaoui die kleine Karawane sicher durch die, wie Mirijam meinte, weglose Einöde. Seit Tagen sah es rundherum immer gleich aus.
Das änderte sich, je näher sie der Oase Tadakilt kamen. Plötzlich kreuzten Spuren von Herden und Karren ihren Weg, sie stießen auf einen Brunnen, dann kamen sie an einer Lehmgrube vorüber, in der Ziegel geformt wurden, und immer mehr Vögel tauchten am Himmel auf. Und endlich entdeckte Mirijam in der Ferne die Burg.
Sherif Alî el-Mansours dreistöckige Kasbah aus Feldsteinen und Stampflehm lag oberhalb einer weiten, grünen Oase, in der Palmen und Obstbäume, Gemüse und Viehfutter gediehen. Ihre kantigen Türme trugen Zinnen, die schmalen Fenster waren mit Verzierungen aus gebrannten Ziegeln umrahmt, und über dem Tor befanden sich fremdartige Malereien, einer Hand nicht unähnlich.
Diener, Sklaven, Kinder und Bauern liefen herbei, als die kleine Karawane den Rand der Oase erreichte. Unter Freudenrufen und Trillern geleitete man sie in einer Art Festzug durch die schattigen Gärten bis zur Burg, wo eine dicke Köchin sowie ein Verwalter den Herrn und seine Begleiter strahlend und unter zahlreichen Dankesworten an Allah begrüßten und ins Innere geleiteten.
Die Burg bestand aus dicken Mauern mit vier mächtigen Ecktürmen und verfügte, ähnlich wie die Karawansereien unterwegs, über Innenhöfe mit Bäumen und leise plätschernden Springbrunnen. Einer dieser Innenhöfe gehörte zum Küchentrakt, wie man an den Feuerstellen erkennen konnte. Hier schlug offenbar das Herz der Burg, und hier sollte Mirijams neues Zuhause sein.
Sherif Hakim tätschelte ihr kurz die Wange, als er ihr beim Absteigen half. » Signora, endlich habe ich eine neue Helferin für dich«, sagte er zu der dicken Köchin. Die stand mit vor dem Bauch gefalteten Händen neben ihrem Herrn und beobachtete skeptisch, wie Mirijam unsicher von dem Esel kletterte.
» Lass sie ein paar Tage in Ruhe«, fuhr der Hakim fort, » und füttere sie ordentlich. Sie ist noch ein Kind und hat Schweres durchgemacht. Ich kenne ihren Namen leider nicht, denn sie kann nicht sprechen. Aber du wirst das schon machen, du gute Seele, du kennst dich mit jungen Sklavinnen schließlich aus.«
Zu Mirijam gewandt erklärte er: » Du musst wissen, die Signora ist die eigentliche Herrin hier.« Dazu zwinkerte er ein wenig und lächelte. » Wie ich selbst stammt auch die Signora ursprünglich aus Italien. Vielleicht ist sie deshalb wie geschaffen dafür, über die Burg, über mich und die anderen zu herrschen. Jedenfalls muss alles so gemacht werden, wie sie es anordnet. Auch du wirst genau das tun, was die Signora dir aufträgt. In einigen Tagen werde ich dich rufen lassen, damit wir gemeinsam überlegen, was wir wegen deiner Stimme unternehmen wollen. Bis dahin folgst du der Signora.« Mit diesen Worten verschwand er in einem Durchgang, der zu seinem eigenen Innenhof führte.
Mirijam hielt ihr kleines Bündel an die Brust gedrückt und schaute ihm nach. Wie sollte sie ohne ihn zurechtkommen?
Die Frauen im Hof hatten zu tun. Ziegen, Lämmchen und Hühner mit Küken liefen herum, und in einer Ecke wurde gerade ein Tier geschlachtet. Hirse und Weizen wurden auf runden Steinmühlen gemahlen, Gemüse und Obst wurden geschnitten, und jemand füllte Säfte in bunte Krüge. Mehrere Feuerstellen waren entzündet worden, auf denen in großen Eisentöpfen Wasser erhitzt wurde, und neben den Kochstellen lagen Säcke mit Holzkohle.
Die Köchin ging um Mirijam herum. » Mager, schwach und klein, nichts als ein Kind! Spricht nichts, kann nichts, muss aber dennoch gefüttert werden. Na schön, wenn der Herr es so will«, schnaubte sie schließlich. » Jetzt geh mir aus dem Weg, ich werde mich später mit dir befassen. Das Festmahl muss zubereitet werden. Fatima, wo hast du deine Augen? Achte auf den Couscous! Ach, wenn man nicht alles selbst macht!« Sie sprach in einem seltsamen Sprachengemisch, doch Mirijam verstand einige ihrer Worte, so dass sie sich den Rest zusammenreimen konnte.
Sie wich neben einen Busch nahe der Mauer aus, nahm ihre alte Decke und wickelte sich darin ein. Als sich die Köchin später über die neue Sklavin beugte, um ihr eine würzige Suppe zu reichen, lag Mirijam in einem unruhigen Fieberschlaf.
Einige Tage verbrachte Mirijam im Hof unter den
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