Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
strich feines Öl über Beine und Arme, über Brust und Bauch und schabte es anschließend mit einer Klinge wieder von der Haut.
Anschließend wechselten alle in die nächste, heißere Kammer, in der man durch dichte Dampfschwaden watete. Schon beim ersten Schritt begann der Schweiß zu fließen, die Hitze brannte in der Nase, und sie konnte nur durch den offenen Mund atmen. Mitfühlend schnalzte Fatima mit der Zunge und reichte ihr einen Krug mit kühlem Wasser. Als Mirijam danach griff, zog Fatima jedoch den Krug zurück und goss stattdessen das Wasser in einem Schwall über Mirijams Kopf aus. War dies einer ihrer gemeinen Angriffe? Unwillkürlich duckte sich Mirijam. Doch Fatima lachte über das ganze Gesicht über den gelungenen Streich. Auch die anderen Frauen kamen herbei und begossen sie mit Wasser, bis sich Mirijam ihrerseits einen Krug schnappte und den Spieß umdrehte. Als hätten sie nur auf dieses Signal gewartet, begannen die Frauen unter Geschrei eine wüste Wasserschlacht, und der Hamam erbebte vom Gelächter und Gekreische. Jede gegen jede, hieß es! Die Frauen bespritzten sich, hüpften übermütig herum, und immer wieder schrie eine auf, wenn sie unverhofft von einem Guss getroffen worden war.
Später suchte sich Mirijam einen Platz abseits der Frauen, wusch sich mit feiner Ölseife und schäumte die Haare ein. Sie hatte Tränen in den Augen, allerdings nicht von der Seife.
Wann hatte sie das letzte Mal so herzlich gelacht? Wann zuletzt derart unbefangen und wild gespielt? Auch die anderen Frauen waren des Lachens und der Wasserspiele müde geworden, und eine zufriedene Ruhe kehrte in dem kleinen Badehaus ein. Sie kämmten und ölten gegenseitig ihre Haare, bis sie glatt und glänzend über den Rücken fielen, und zogen saubere Kleidung an, bevor sie Arm in Arm durch die Nacht zurück in die Burg gingen. Fatima klatschte einen Rhythmus und stimmte ein Lied an, und sofort fielen die anderen Frauen ein. Schon lange, sehr lange hatte sich Mirijam nicht mehr so glücklich gefühlt wie an diesem Abend.
Ab jetzt besuchte sie regelmäßig mit den anderen Dienerinnen den Hamam, um sich zu reinigen und danach frische Gewänder anzulegen. Die Kleider, die man ihr gegeben hatte, waren jedoch allesamt viel zu groß und zu weit, und nicht einmal ein Strick um die Taille konnte verhindern, das Mirijam immer wieder über die langen Hosenbeine stolperte. Eines Tages fasste sie sich ein Herz und bat die Köchin mit lebhaften Gesten um Nähzeug.
» Was willst du tun? Nähen? Kannst du so etwas denn?«, staunte die Signora. » Ein Schnitt mit der Schere täte es ja wahrscheinlich auch, aber nun gut, mir soll es recht sein.«
Während der Mittagszeit kürzte Mirijam die Hosenbeine und Ärmel, und da sie ein paar blaue Garnreste gefunden hatte, verzierte sie den Kragen der lockeren Bluse mit kleinen gestickten Blüten. Nähen und Sticken waren zwar nicht gerade ihre Stärke, das Ergebnis konnte sich aber dennoch sehen lassen. Als die Köchin Mirijams geändertes Gewand prüfte, zog sie überrascht die Stirn in Falten. Sie drehte und wendete die Hosenbeine, besah die Säume, untersuchte die Bluse und sah dann das Mädchen scharf an.
» Sehr hübsch! Eine solche Fertigkeit erwirbt man allein durch Übung. Ich weiß, wovon ich rede. Wer bist du wirklich, Azîza? Warst du etwa die Zofe einer feinen Dame? Besonders diese zarte Stickerei, das ist eine ausgezeichnete Arbeit«, lobte die Köchin. Dann überprüfte sie die Schachtel mit den Nähutensilien und nickte zufrieden, denn alles lag ordentlich an seinem Platz.
Mirijams Augen hatten sich verdunkelt. Zofe! Es war die brave Muhme Gesa gewesen, die ihr schon früh gezeigt hatte, wie man die Nadel führen musste. Manchmal war es ihr schwer angegangen, schließlich war Stillsitzen keine ihrer Stärken. Die weichen Stoffe aber, die glänzenden, bunten Seidenfäden und natürlich die hübschen Blumenbilder, die, wenn sie fleißig war, beim Sticken herauskamen, das hatte ihr immer sehr gefallen.
Die Signora überlegte. » Pass auf, Mädchen«, meinte sie schließlich, » wir werden es folgendermaßen machen: Von heute an wirst du kein Wasser und keine Kohle mehr holen, damit ruiniert man sich nur die Finger. Die Näherin aus dem Dorf hat schlechte Augen, also werde ich ab jetzt dir die zerrissenen Kleider und Kissen und was es sonst zum Flicken gibt, geben, denn Nähen kannst du besser. Dein Platz ist ab heute hier in der Küche. Ja, so wird’s gemacht.«
Mirijam
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