Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
aus purpurrotem Samt. Das kostbare Wams, die eleganten Beinkleider, ganz einfach alles war von Salzwasser durchweicht. Offenbar hatte ein Brecher den Kapitän erwischt und zugleich jedes Stück, das nicht ordentlich festgezurrt war, über Bord gespült. Alvaréz, der Steuermann, brüllte ihm gegen den Wind etwas von falschem Kurs ins Ohr, doch der Kapitän schüttelte den Kopf. » Wenn wir einen falschen Kurs segeln, dann liegt die Schuld allein bei Euch, meine Anweisungen waren sehr präzise!«
» Der Wind ist zu stark, wir kommen zu weit nach Westen, Ihr müsst Befehl zum Kurswechsel geben!«
» Mir scheint, Ihr vergesst, wer auf diesem Schiff das Sagen hat!«
» Achtung, festhalten! Da kommt was von Backbord!«
Der Steuermann brüllte seine Warnung über das Deck und stemmte sich gegen das Ruder. Cornelisz erschauerte, als er den nächsten Brecher heranstürmen sah und rannte, so schnell es bei dem Seegang möglich war, zurück in die Kajüte.
Der Wind frischte weiter auf, und jeder an Deck suchte irgendwo nach einem Halt. Die Wellen schlugen hoch, und ständig gingen Brecher über das Deck. Alvaréz hielt am Ruder dagegen, so gut es ging. Immer neue schäumende Wogen kamen über das Deck, bis alles an Bord durchnässt und die Augen der Seeleute rot vom Wind und vor Erschöpfung waren. Die San Pietro jedoch war ein zuverlässiges Schiff, stets tauchte sie aus den Wellentälern wieder auf und schüttelte wie ein Hund das Wasser ab.
In der Nacht schlief der Sturm endlich ein, und die dichte Wolkendecke riss auf. Miguel de Alvaréz hatte die Gelegenheit genutzt und stand mit seinem Quadranten an Deck. Zwischen jagenden Wolken suchte er den Himmel nach polaris, dem Nordstern, ab. Da, er hatte ihn. Und tatsächlich, wie befürchtet stand er viel zu tief am Horizont.
» Nun? Was schließt Ihr daraus?«, hörte er plötzlich die trügerisch sanfte Stimme des Kapitäns hinter sich. Miguel fuhr herum. Der Kapitän stand spöttisch lächelnd neben dem Ruderhaus. Die weißen Falten seines Hemdes leuchteten aus dem Dunkel. Miguel reichte ihm das hölzerne Brett. » Seht selbst!«
» Nein, nein! Nicht nötig, dafür habe ich schließlich Euch«, wehrte da Palha ab. » Sagt mir nur, was Ihr berechnet habt.«
» Nun«, Miguel entspannte sich leicht. Vielleicht würde der Kapitän ja endlich doch Einsicht zeigen? » Wie ich es sehe, befinden wir uns etwa eine gute Tagesreise vor den Canarias. Diese Inseln liegen günstig, wir könnten sie vermutlich schnell erreichen, um frisches Wasser aufzunehmen.«
» So seht Ihr das also? Nun, das ist hochinteressant. Eure Schlussfolgerungen sagen mir allerdings nicht zu. Habt also die Güte und lasst den Kurs ändern, legt Nordost an! Lasst außerdem alle Mann an Deck antreten, das faule Pack soll etwas tun! Morgen Mittag werde ich selbst den neuen Kurs mit meinem Astrolabium nachmessen. Gehabt Euch bis dahin wohl, Steuermann.«
Miguel knirschte vor Wut mit den Zähnen und musste gegen den Impuls ankämpfen, den Mann niederzuschlagen. Nur der gesunde Menschenverstand hielt ihn davon ab. Der Kapitän würde ihn in Eisen legen lassen und womöglich darauf bestehen, das Schiff selbst zu segeln. Und dann Gnade ihnen Gott! Unter größter Anstrengung nickte Miguel. » Sim, ja, Senhor.« Zufrieden lächelnd verschwand der Kapitän unter Deck.
Bei der nächsten Gelegenheit zwei Tage nach diesem Kurswechsel reagierte Miguel weniger besonnen. » Mittlerweile segeln wir eindeutig zu nahe unter Land. Befragt Eure Ephemeriden und den Jakobsstab, wenn Ihr mir nicht glaubt. Hier gibt es gefährliche Strömungen und Sandbänke! Ihr müsst den Kurs ändern, Kapitän, sonst droht ein Unheil.«
» Was Ihr nicht sagt! Und weil Ihr es sagt, muss ich es tun?«, höhnte da Palha. Dann hob er seinen Stock, als wolle er den Steuermann damit schlagen.
Miguel ging sofort in Abwehrstellung. Mit einem Stock hatte ihn zuletzt sein Vater geschlagen, und das war mehr als zwanzig Jahre her. Doch der Kapitän drückte nur die Spitze an Miguels Brust und drängte ihn damit Schritt um Schritt zurück.
» Steuermann, Euer respektloses Gebaren gefällt mir nicht. Geht mir aus den Augen!«, brüllte er. » Ab sofort steht Ihr in Eurer Kajüte unter Arrest. In Santa Cruz de Aguér werde ich Euch dem Hafenkommandanten übergeben.«
» Wenn wir denn je dorthin kommen!«, polterte Miguel zurück, riss vor Wut seine Mütze vom Kopf und schleuderte sie im hohen Bogen über Bord. Mit dem Kapitän am Steuer segelten sie
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