Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Einwilligung eingeholt zu haben, und demzufolge auch ohne Absicherung. Das bedeutete, das Haus van Lange allein trug das volle Risiko. Alles auf eine Karte? Natürlich, dachte er.
Wenn es jedoch gut ausging, dann gebührten ihm auch allein die Lorbeeren. Tausendfacher Profit? Für Vater war das weiß Gott ein starker Ansporn. Reichtum und Anerkennung, das waren Anreize, denen er nicht widerstehen konnte, dazu hoffte er schon zu lange auf einen regulären Sitz in der Ratsversammlung. Offenbar hatte er es nach den vielen Monaten der Ungewissheit und des Wartens in Antwerpen nicht mehr ausgehalten, und so eilte er nun seinen Schiffen entgegen. Er als sein Sohn und Nachfolger sollte Zeuge dieses Triumphes sein.
So kannte er ihn. Und wie konnte man einen Mann wie Vater nicht bewundern? Gleichzeitig jedoch fühlte sich Cornelisz ihm ferner als je zuvor.
Der Kaufmann nahm die Wanderung in der Kajüte wieder auf. Er dachte bereits weiter. » Auf diese Weise werden wir sofort im Besitz der Waren sein und können schon von Santa Cruz aus Verteilung und Weitertransport in die Wege leiten. Noch wichtiger ist mir, dass wir zu den Ersten gehören werden, die detaillierte Berichte über die neue Route erhalten. Von den portugiesischen Kapitänen, von ihrem Mut und ihren Fähigkeiten wird die Zukunft unseres Hauses abhängen, also auch die deine. Von ihnen werden wir alles aus erster Hand erfahren, zum Beispiel über die neu zu erbauenden Schiffe. Dieses Wissen verschafft uns einen Vorsprung, und der wird entscheidend sein. Deshalb habe ich darauf bestanden, dass du mich begleitest, deshalb sollst du von Beginn an dabei sein. Später wirst du einmal deinen eigenen Söhnen von dieser Reise berichten können. Du wirst ihnen erzählen, welche Wagnisse nötig waren, um unser Haus zu einem der ganz großen werden zu lassen.«
Van Lange blickte den Sohn an. Doch sah er ihn wirklich? Schaute er nicht vielmehr auf eine lange Folge imaginärer Nachkommen? Und was erwartete er von ihm, Zustimmung, Begeisterung oder gar die Absolution wegen des zweifellos hohen Risikos?
» Sieh dir die Frachtlisten an«, befahl der Kaufmann, öffnete den schweren Deckel seiner arca noe, einer massiven, eisenbeschlagenen Truhe, und entnahm ihr ein großes, ledergebundenes Kontorbuch. » Hier, sieh dir unsere Orders an.« Dieses Auftragsbuch wurde stets mit der gleichen Sorgfalt wie die Bibel behandelt, es war Vaters Heiligtum.
Cornelisz schlug es auf, fuhr mit dem Finger die Listen entlang und las. Die Bestellungen lauteten auf edle Hölzer, auf Kattun und Seide in verschiedenen Qualitäten, auf bemaltes, seltenes Porzellan aus dem fremden Kathai, einigen besonderen Rohdiamanten aus Indien sowie natürlich auf Pfeffer und andere Gewürze von den Molukken.
» Wir werden die Einzigen sein, die den Antwerpenern zu dieser Zeit etwas Anständiges anbieten können. Sie werden nicht mehr umhinkönnen, mich in den Rat der Stadt zu bitten. Und natürlich werden die van der Beurses in Brügge über eine Zusammenlegung mit unserem Haus anders denken, wenn ihre Geldkatzen durch diesen Geniestreich prall gefüllt sind.« Vater rieb sich die Hände.
Die van der Beurses hatten Zugang zum Hof, und das war es, was ihn vor allem reizte. Jetzt stand er am Fenster und schaute hinaus. Vermutlich sah er aber anstelle des aufgewühlten Meers eine strahlende Zukunft vor sich. Cornelisz kannte die Überlegungen seines Vaters über einen möglichen Zusammenschluss beider Handelshäuser. Wenn es nach ihm ging, kam sogar eine Heirat zwischen Cornelisz und der jüngsten Tochter von van der Beurse in Betracht, eine Vorstellung, die ihn selbst zutiefst erschreckte. Dennoch freute er sich, dass Vater ihn derart umfassend ins Vertrauen zog und sogar einige Unsicherheiten zugab. Das geschah zum ersten Mal. Vielleicht sollte er sich ihm ebenfalls anvertrauen, sozusagen von Gleich zu Gleich mit ihm sprechen und seine Sehnsüchte und Zukunftspläne mit ähnlichem Nachdruck vertreten, wie es der Vater getan hatte?
30
Bevor Cornelisz zu einem Entschluss fand, neigte sich plötzlich das Schiff zur Seite, so dass Bücher und Gerätschaften über den Tisch rutschten.
» Was, zum Henker, ist nun wieder los?«, erboste sich der Vater.
» Ich gehe nachsehen.« Erleichtert, die fällige Aussprache doch noch ein wenig hinausschieben zu können, rannte Cornelisz den Niedergang hoch.
Mit einer Hand umklammerte Kapitän da Palha den Mast, mit der anderen Hand hielt er seine federgeschmückte Kappe
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