Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
wirklich trinken? Er sah, dass alle anderen den Nachttrunk anscheinend mit Genuss zu sich nahmen. Nun denn, zum Wohl, dachte er und verzog leicht das Gesicht, bevor auch er trank.
Der Karawanenführer sprach gerade: » Ihr befindet Euch hier auf unserem Stammesgebiet . Wir sind Imazighen, freie Männer vom Stamm der Zennata aus der ruhmreichen Familie der Beni Wattas. Diesen Wüstenkriegern entstammt auch unser vielgeliebter Sultan Muhammad, Allah möge ihn stets beschützen. Er wacht über sein Land wie ein gerechter Vater.«
Miguel nickte. Was immer ihm der Mann da auch mitteilte, er verstand vor allem eines: Nach Kampf klang es nicht. Für den Moment konnten sie sich also sicher fühlen.
Cornelisz lag neben dem Feuer unter einer Decke aus dichtem Kamelhaar. Hin und wieder bebte er unter Fieberschüben, das frische Wasser schien ihm aber gutgetan zu haben. Derweil bereitete einer der Männer Fladenbrot, ein Anblick, der Miguel an seinen Bärenhunger erinnerte.
» Mein Name ist Amir Aït Aba, ich bin der Sheïk, der Führer meines Volkes. Wir kommen aus dem Osten und ziehen mit unserer Karawane nach Norden«, fuhr der Anführer der Männer fort. » Unser Ziel ist Kasbah Agadir, wie wir jenen Ort nennen, der bei Euch Santa Cruz de Aguér heißt. Ihr könnt uns also begleiten, wenn Ihr es wünscht.«
Miguel strahlte. Hatte er es nicht vorhergesagt? Sie waren tatsächlich schon so gut wie zu Hause!
» Und mein Name ist Miguel de Alvaréz«, entgegnete er möglichst würdevoll und verbeugte sich leicht im Sitzen. » Ich bin portugiesischer Steuermann, zuletzt auf der San Pietro, die zu unser aller Unglück hier vor der Küste sank. Mein Begleiter«, er machte eine Bewegung in Cornelisz’ Richtung, » heißt Cornelisz van Lange. Er entstammt einer bedeutenden Kaufmannsfamilie aus Antwerpen, einer Stadt in Flandern. Sein Vater, Mijnheer van Lange, verlor bei dem Schiffsunglück sein Leben. Er möge in Frieden ruhen.«
Sheïk Amir neigte zustimmend seinen Kopf. » Der Friede sei mit ihm. La illa illalah, Gottes Wille geschieht, und alles steht geschrieben, auch die Stunde unseres Todes.«
» Seid Ihr schon lange unterwegs?«, fragte Miguel nach einer angemessenen Pause höflich. Er rutschte herum auf der Suche nach einer bequemeren Position. Dieses Sitzen mit untergeschlagenen Beinen war nicht seine Sache.
» Von einem Vollmond bis zum nächsten wird unsere Reise dauern. Mit Gottes Hilfe also nur noch wenige Tage, insha’allah«, entgegnete der Sheïk. » Doch was bedeutet schon Zeit? Allah hat uns genug davon gegeben.« Einer der sandfarbenen Hunde, die die Karawane begleiteten, duckte sich und kroch unauffällig im Rücken des Sheïk näher heran. Unverwandt beobachtete er seinen Herrn, bis er schließlich mit einem kleinen Seufzer den Kopf auf die Pfoten legte und die Augen schloss.
» Und wie viele Tiere und Männer sind bei Euch?«
» Es ist dieses Mal nur eine kleine Karawane«, antwortete der Sheïk. » Auf unseren Lastkamelen transportieren wir Salz aus der Sahara nach Norden und nehmen Getreide mit zurück zu unseren Lagern.«
Er hatte eine angenehme, weiche Stimme, und alles, was er sagte, kam mit wohlüberlegten Worten unter dem Tuch hervor. An seinen dunklen, schlanken Händen, in der Dunkelheit kaum sichtbar, trug er mehrere Silberringe, die bei jeder Geste im Mondlicht aufblitzen. Doch meistens lagen die Hände entspannt in seinem Schoß. Die Beine hatte er unter dem langen Gewand untergeschlagen, und es sah aus, als könne er Stunden in dieser Stellung verbringen. Obwohl er kaum den Kopf bewegte, war Miguel sicher, diesem Mann entging nichts.
» Ich sehe, Ihr habt Eurem jungen Freund das Bein geschient. Das war klug von Euch, Miguel de Alvaréz. Die Knochen werden wieder gerade zusammenwachsen, insha’allah. Er ist noch jung.«
Miguel dankte für das Lob, dann sagte er: » Entschuldigt mich einen Augenblick. Ich will nach den Sternen sehen. Alte Angewohnheit eines Seemannes.«
Der Sheïk nickte.
Hatten sich kleine Lachfältchen um seine Augen gebildet? Wegen des Gesichtsschleiers war sich Miguel nicht sicher. Wie konnte denn auch ein erwachsener Mann mit so einem Behang vorm Gesicht herumlaufen? Das war ärgerlich! Dennoch musste er feststellen, ob der Mann die Wahrheit sagte. Er musste wissen, in welche Richtung die Karawane ziehen würde, und hier an Land verließ ihn der Instinkt für Richtung und Entfernung.
Miguel trat einige Schritte aus dem Lichtschein des Lagers, nahm seinen
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