Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
sie sich dicht neben Douda, legte den Arm um sie und flüsterte: » Höre, was geschehen ist: Mir hat Hussein bereits alles genommen, nicht nur die Tiere und sämtliche Vorräte, sondern auch meine Teppiche, meine Intarsienmöbel, die Silberschalen und getriebenen Leuchter und so weiter. Als amghar habe er ein Recht darauf, sagte er, alle Vermögenswerte unterstünden allein ihm. Und dann hat er in Saïds Oasenanteil einen Großteil der Palmen fällen lassen, durchweg ertragreiche Bäume. Weil sie als Bauholz für eine neue Moschee benötigt würden, sagte er.«
» Darf er das denn?«
Nurzah schüttelte den Kopf. » Nein, und doch tut er es. Er setzt sich über unsere angestammten Rechte hinweg. Aber er ist der amghar, vor wem also sollten wir Klage erheben? Vor dem Sultan? Allein die Reise an seinen Hof kostet mehr, als ich besitze! Ich verfüge nur noch über meinen persönlichen Schmuck, den meine Mutter mir einst vererbte, und ein paar Kleinigkeiten, die ich versteckt hatte.«
Douda schlug die Hand vor den Mund. » Oh Allah! Du müsstest … Du könntest … Ich meine, deine Familie wird dir doch helfen?«
» Natürlich«, nickte Nurzah, » aber es will gut überlegt sein, bevor ich die männlichen Mitglieder meiner Familie einweihe, die für meine Rechte einstehen werden, und daher muss ich zuallererst mit Saïd sprechen. Womöglich steckt etwas anderes hinter diesen Übergriffen? Ich befürchte, der neue amghar will alles in seinen Besitz bringen, bis hin zu den Wasserrechten. Nachdem ihn die Stammesführer zum amghar bestimmt haben, versucht er nun offenbar mit Hilfe des Imams, die Karawane in seine Hand zu bekommen. Damit er sich mit Sklaven und Gold bei Sultan Ahmad beliebt machen kann, verstehst du? Der setzt nämlich auf die Unterstützung der Türken im Kampf gegen seinen Bruder, unseren Sultan Muhammad. Ein solcher Beistand aber ist kostspielig.«
» Das bedeutet Bruder gegen … Auch hier, in unserer Kasbah? Oh Nurzah, bitte sag mir, dass das nicht stimmt!«
38
Abdallah rief etwas, doch der Wind riss ihm die Worte von den Lippen, so dass Saïd lediglich » Hamid« und » Ende der Karawane« verstand. Auf Hamid am Schluss der Kamelreihe war Verlass, das wusste er, keines der Tiere würde ausscheren oder seine Ladung verlieren.
Er senkte den Kopf. Nur noch wenige Stunden, und sie konnten sich in den Schutz der Mauern von Sijilmassa zurückziehen. Erneut stemmte er sich gegen den Wind. Es war der gefürchtete Nordostwind, der alles austrocknete. Eigentlich traten solche kalten Stürme höchst selten zu dieser Zeit auf, und doch brauste er ihnen nun eisig entgegen. Wilde Böen rissen Sand in die Höhe und peitschten ihn nahezu waagerecht vor sich her. Saïds Augenlider trugen bereits Krusten aus Sand und Tränen, jedes Blinzeln rieb die Körnchen über die sowieso schon gereizten Augen, und sobald er sie wegwischte, sammelten sich neue in den Augenwinkeln. Sein Mund war ausgedörrt und die Lippen rissig. Von Zeit zu Zeit drehte er sich um und ging rückwärts, um sich eine Atempause zu gönnen.
Endlich erreichten sie einige Felsen, die wie Windbrecher im Sturm standen. Abdallah kam heran, auch seine Augen sandverklebt. Im Windschatten der Felsen öffneten beide ihre gerbas, wuschen den Sand vom Gesicht und wickelten ihre chêches neu. Dann beobachteten sie die Kamele, die in einer langen Reihe an ihnen vorüberzogen.
» Der Wind wird erst einschlafen, wenn die Sonne untergeht«, befand Saïd.
» Willst du hier darauf warten? Wenn wir weiterziehen, könnten wir Sijilmassa noch vor dem Abendgebet erreichen.« Obwohl Abdallah es nicht beabsichtigt hatte, klang seine Stimme bedrückt.
Saïd nickte. Viele Worte waren zwischen ihnen selten nötig. Auch jetzt wusste Saïd, dass Abdallah, ähnlich wie er selbst, hin- und hergerissen war zwischen dem Wunsch, endlich anzukommen, und der Sorge, was sie zuhause erwartete.
An den letzten beiden Abenden hatten sie mehrmals das Thema Hussein gestreift, und Saïd wusste, das Abdallah von dem neuen amghar wenig Gutes erwartete. Er jedoch war weniger pessimistisch. Immerhin hatten sich die caïds der Region für Hussein entschieden und ihn zu ihrem Anführer bestimmt, das musste respektiert werden. Natürlich verstand er Abdallahs Bedenken, aber Unruhen im Tafilalt oder gar ein Bruderkrieg, wie er befürchtete, so weit würde es Hussein gewiss nicht kommen lassen. Dennoch fühlte er sich unwohl bei dem Gedanken, dem Bruder schon bald gegenübertreten und mit ihm
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