Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
… Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls sahen meine Kinder, dass Cherif und M’Barek von Murad zu essen erhielten, Couscous mit Hühnchen. Und sie langten kräftig zu, das kannst du dir denken. Kurz darauf jedoch wurden sie müde und schliefen am Feuer ein. Das ist nicht ungewöhnlich, finde ich, aber die beiden sackten plötzlich zusammen, sagten meine Söhne. Sie beobachteten, wie Murad sie in sein Zelt trug. Als sie am nächsten Tag nicht aufzufinden waren, weder innerhalb der Kasbah noch draußen, erst da haben meine Kinder mir davon erzählt, aber zu dieser Zeit waren die Osmanen längst fort. Kein Pferd, kein Zelt und kein Murad al-Sinan. Und auch kein Cherif und M’Barek mehr. Wann die Osmanen losgeritten sind? Ich weiß es nicht, denn niemand hat ihren Aufbruch bemerkt. Ich weiß nur, dass Cherif und M’Barek seit diesem Tag verschwunden sind.«
Saïd starrte den Wächter an. » Oh Allah!«, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Abdallah war hinzugetreten und hatte die letzten Worte gehört. » In welche Richtung ritten sie? Wie lange ist das her? Können wir sie noch einholen?« Abdallahs Stimme bebte.
Saïd jedoch hatte sich gefasst, er hob seine Hand. » Warte. Sprich, Abdul, was wurde unternommen?«
Der Wächter fühlte sich, als wäre eine große Last von seinen Schultern genommen. Endlich hatte er alles erzählen können, das Weitere lag nun nicht mehr in seiner Hand. » Der amghar meinte, die Jungen hätten sich irgendwo in der Oase versteckt und würden sicher bald von allein zurückkommen«, fuhr er fort. » Dennoch ließ er jeden Winkel durchsuchen. Sogar die foggaras, die unterirdischen Wasserkanäle, wurden in weitem Umkreis kontrolliert, wie auch die trockenen Brunnen. Ich hörte, dass selbst zu den Nomaden Boten gesandt wurden, um dort nachzuforschen. Alles vergebens. Schon bald sprach der amghar von Allahs Willen, der offensichtlich sei und dem er sich nicht widersetzen werde, und ließ die Suche abbrechen.«
» Was reden die Frauen in der Kasbah?«
» Sie sind genauso ratlos. Ihre Mutter ist schwer erkrankt.«
Saïd blickte über den erleuchteten Platz mit den vielen fröhlichen Menschen. Er kannte jeden Einzelnen von ihnen und wusste, ihre Freude über die glückliche Heimkehr seiner Karawane kam aus tiefstem Herzen. Immer noch liefen sie herbei, die Musik klang fröhlich, und in den Staub mischte sich der Duft von gebratenem Fleisch. Doch seine Vorahnung hatte ihn nicht getrogen.
Seine Hände ballten sich. Am liebsten hätte er sie um Husseins Gurgel gelegt. Was auch immer vorgefallen sein mochte, Hussein hatte dabei seine Finger im Spiel, dessen war er sicher.
Bei Allah, was trieb ihn nur an? Wo konnte er die Knaben verborgen halten, und was bezweckte er damit? Doch die Entführung von Brahims Söhnen war eine Sache, Gründe dafür konnte man innerhalb der Familie suchen. Aber Unruhe unter den Bauern schüren, einen Kampf um Wasserrechte führen oder das willkürliche Einschlagen seiner Palmen – worauf zielte Hussein mit diesen Übergriffen ab? Schürte er absichtlich Unruhe? Abdallahs Andeutungen gingen ihm durch den Sinn, und unwillkürlich suchten seine Augen unter den Feiernden nach möglichen Unterstützern.
» Nun beantworte auch Abdallahs Fragen: Welche Richtung nahm Murad mit seinen Männern? Und glaubst du, wir können sie noch einholen?«
*
Über der gezackten Silhouette von Sijilmassa lag die Dunkelheit, und es würde noch einige Zeit dauern, bis der Mond erschien. Soeben begannen die Muezzine , die Gläubigen zum letzten Gebet des Tages zu rufen. Safia wusste, die große Moschee würde heute Nacht nahezu leer bleiben, da sich die meisten Männer am Karawanenplatz aufhielten. Der amghar dagegen begab sich ganz gewiss in die Moschee, ihr Onkel Hussein ließ keine Gebetsstunde aus.
Rasch huschte sie durch das Tor der Kasbah und tauchte in das Gewirr der Gassen zu Füßen der Burg ein. Sie musste sich beeilen, denn nach dem Nachtgebet würden die Tore geschlossen werden. Vielleicht blieben sie heute ein wenig länger als sonst geöffnet, wegen der Rückkehr der Karawane, aber sicher war das nicht.
Trotz der späten Stunde trabte ein Lastesel durch die Nacht, geführt von einem Jungen und beladen mit Säcken, die vermutlich Saïds Kamele herbeigeschafft hatten. Safia verbarg sich in einer Mauernische und zog ihr Tuch vor das Gesicht. Der Junge mit dem Esel bog in eine Gasse. Einen Moment lang wartete sie und
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