Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Ehefrau, Malika, ins Haus genommen. Jene hatte ihm den – nach Brahim – zweitgeborenen Sohn, Hussein, geschenkt, und erst danach war ihr Saïd zur Welt gekommen. Unwillkürlich seufzte Nurzah.
Nach Möglichkeit vermied sie jede Begegnung mit der anderen Ehefrau und deren Sohn, auch sprach sie ihre Namen ungern aus. War es unumgänglich, von ihnen zu reden, bezeichnete sie Hussein seit kurzem als » den neuen amghar « und Malika als » die Mutter des neuen amghar «. Nurzah seufzte erneut. Das Herz war ihr schwer.
Doch trotz des Kummers, der über ihrem eigenen, besonders aber über Doudas Haushalt lag, und trotz der Sorge um ihren Sohn Saïd, der irgendwo in den Weiten der Wüste unterwegs war, erfreute sie sich einen Moment lang am Anblick des blühenden kleinen Gartens. Sie wusste, jede Freude und jedes Lächeln war ein Geschenk, das das Herz stärkte.
Einst hatte sie dieses Fleckchen eigenhändig mit Duftkräutern und Rosen bepflanzt, damals, in ihrem ersten Jahr in der Kasbah und sozusagen im Gedenken an die verstorbene Schwester. Als Sîdi Hassans erste Ehefrau hatte die Schwester hohes Ansehen genossen, und ihr Tod bei Brahims Geburt, des erstgeborenen Sohnes, war aufrichtig betrauert worden. Ihre Familie hatte Sîdi Hassan daraufhin sie, Nurzah, zur Ehefrau angetragen, sozusagen als Ausgleich für den erlittenen Verlust. Beinahe vierzig Jahre, fast ein ganzes Menschenleben, lag das nun schon zurück.
Mit welch großem Bangen sie seinerzeit hier angekommen war, daran konnte sie sich lebhaft erinnern. Doch zur Überraschung aller hatte sie sich mit Sîdi Hassan verstanden, und sie hatten eine gute, sogar sehr gute Ehe geführt.
Nur einmal hatten sie sich vorübergehend entzweit, damals, als Sîdi Hassan meinte, sich unbedingt eine weitere Ehefrau nehmen zu müssen, und seine Wahl ausgerechnet auf Malika, die schöne Sklavin, fiel.
Nurzah seufzte erneut. Noch einmal sog sie den Duft ihres Gärtleins ein, dann straffte sie sich. Auch wenn sie es hasste, unangenehme Dinge anzusprechen, das Gespräch, das ihr bevorstand, duldete keinen Aufschub. Wie es aussah, standen inzwischen nicht mehr nur ihre, sondern auch Doudas Rechte und die ihrer Kinder auf dem Spiel.
Sie wandte sich Brahims junger Witwe zu, die am Boden saß, Wolle zupfte und ihre Spindel in Gang setzte. » Noch nie«, begann sie, » habe ich jemanden in dieser Weise mit dem neuen amghar sprechen hören! Der Imam sagte: ›Sobald er zurückkommt, machst du deinem Bruder Saïd klar, dass jetzt du das Sagen hast, dass eine neue Zeit angebrochen ist und dass alle früheren Absprachen ungültig sind. Mit eurem Karawanenhandel in der bisherigen Form ist es vorbei. Zukünftig benötigt ihr doppelt so viele Kamele wie bisher, würde ich sagen. Außerdem verlangst du, dass er entweder größere Mengen an Gold heranschafft, und zwar wesentlich größere, oder dass ihr euch am Sklavenhandel beteiligt, am besten natürlich beides. Das ist es, was du ihm erklärst und was er ein für alle Mal verstehen muss.‹« Nurzah schnaufte empört.
» Ja aber … Ich verstehe nicht.« Douda ließ die Hände sinken und hob den Kopf. Sie wirkte immer noch blass und verhärmt, doch zum ersten Mal seit Wochen schien etwas anderes als ihr eigenes Leid zu ihr durchzudringen.
Vor ein paar Tagen erst war sie von dem Besuch in der Kasbah ihres Vaters, eines durch Krankheit und Alter geschwächten caïds, zurückgekommen. Neben dem Trost und der Geborgenheit, die ihr die Heimat gab, hatte sie sich mit ihren Töchtern Arifa und Safia sowie den beiden Söhnen Cherif und M’Barek für einige Wochen zum Gebet dorthin zurückgezogen. Dennoch wirkte sie nicht erholt, sondern immer noch kraftlos. Nurzahs Worte allerdings drangen offenbar zu ihr durch.
» Was meint er damit, Sklaven oder mehr Gold? Hussein weiß, dass wir den Sklavenhandel ablehnen. Außerdem bringen Saïds Karawanen auch ohne Sklaven hervorragende Erträge, genau wie die Unmengen von Datteln aus der Oase oder der Verkauf unserer Tiere. Jedenfalls sagte das …« Douda brach ab.
» Ich weiß. Und damit hatte dein Mann natürlich recht«, bestätigte Nurzah. » Doch während deiner Trauerzeit, die du im Gebet verbracht hast, ist hier einiges geschehen. Wir leben inzwischen tatsächlich in einer veränderten Welt. Ach, ich wünschte, Saïd würde endlich zurückkommen!«
Die ältere Frau unterbrach sich und warf einen raschen Blick in den Garten. Obwohl sie dort nirgendwo einen Lauscher entdecken konnte, setzte
Weitere Kostenlose Bücher