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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Verstand. Endlich begriffen die Leute, dass ihre Zukunft bei ihm in den besten Händen lag!
    Erneut rieb sich Hussein die Hände. Dann wandte er sich von dem schmalen Fenster ab, durch das er ungesehen den Aufbruch des Reitertrupps beobachtet hatte, und griff nach seiner neuesten Errungenschaft, einer Prachtausgabe des Quran. Er küsste das heilige Buch, schlug es an einer beliebigen Stelle auf und murmelte ein Gebet. Seine Augen folgten den Zeilen auf der Seite, wie er es bei denen, die lesen konnten, gesehen hatte, nur gelegentlich irrte sein Blick ab. Seine Gedanken allerdings hatten nicht das Geringste mit der Heiligen Schrift zu tun.
    Verborgen hinter den Zinnen der südlichen Terrasse folgten die Blicke seiner Mutter Malika und seiner Ehefrau Rabia ebenfalls den entschwindenden Reitern. Lâlla Malika, trotz ihrer Jahre und einer erkennbaren Unzufriedenheit in ihren Zügen eine immer noch schöne Frau, zog den Schleier vor das Gesicht. Erst im Schutz dieses Tuches gestattete sie sich ein triumphierendes Lächeln.
    Vor Ablauf mehrerer Stunden würde niemand das Fehlen der Jungen bemerken, und etliche weitere Stunden würden vergehen, bis das Labyrinth der Gänge, Treppen und Höfe durchsucht und auch die Plätze außerhalb der Kasbah kontrolliert wären. In der Umgebung gab es zahllose Verstecke, in Uferböschungen, unterirdischen Bewässerungskanälen und in den Ruinen der alten Karawanserei und anderer leer stehender Häuser. Außerdem war die Abenteuerlust der Jungen überall bekannt. Wer also sollte den Aufbruch des osmanischen Sklavenhändlers mit dem Verschwinden von Brahims Söhnen in Verbindung bringen?
    *
    » Es heißt, ihre Vorväter waren mutige und gerechte Männer, die stets das Glück aller im Sinn hatten«, sagte eine der Dienerinnen, die über einer flachen Holzschüssel kauerte und den Teig anmischte. Es gehörte zu ihren Aufgaben, die Fladenbrote zuzubereiten, die im Haushalt ihrer Herrinnen Nurzah und Douda Tag für Tag verspeist wurden. Solange Lâlla Douda und ihre Kinder verreist gewesen waren, hatten sie es ruhig angehen lassen können, doch seit deren Rückkehr vor einigen Tagen gab es für die Dienerschaft wieder mehr Arbeit. Während die eine den Erdofen anheizte, saß die andere in der offenen Tür und walkte und knetete, bis ihr der Schweiß herunterlief. Jetzt hob sie ihre bemehlten Hände.
    » Gerecht wie jener, der von uns gegangen ist. Er war ein guter Mensch, unser Sîdi, großzügig und weise wie seine Vorväter. Oh, unsere arme Lâlla Douda und ihre armen unmündigen Kinder! Gottes Wille geschieht.«
    Niemand sollte den Namen eines Verstorbenen aussprechen, genau wie niemand Allahs Willen in Zweifel ziehen durfte, und daran hielt sie sich. Allerdings sah sie es als langjährige Dienerin und Kennerin der Verhältnisse in der Kasbah nicht ein, warum sie einen klaren Missstand nicht auch als solchen bezeichnen sollte. Anklagend deutete sie auf ihre Schüssel.
    » Aber ob unser Glück überhaupt noch für irgendjemanden eine Rolle spielt? Sieh dir das an, es ist eine Schande. So schlechtes Mehl wie in den letzten Tagen hatten wir noch nie! Ich habe schon unendlich viele Steinchen herausgesammelt, doch immer noch ist alles voller Sand und ganz grau. Es würde mich nicht wundern, wenn sogar Mäuseköttel darunter wären! Kannst du mir verraten, warum uns die neue Herrin nur noch minderwertiges Mehl zuteilt? Zudem ist es nicht einmal ausreichend, niemals werden wir damit alle sattmachen können. Die beiden Jungen haben ständig Hunger.« Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Stirn, dann seufzte sie und bearbeitete unter missmutigem Gegrummel weiter den unansehnlich grauen Brotteig.
    *
    Lâlla Nurzah, Saïds Mutter, stand unter einer der Bogentüren, die auf den Garten ihres Innenhofes hinausgingen. Wie viele Stunden hatte sie hier seinerzeit mit Brahim, dem Kind ihrer verstorbenen Schwester, verbracht. Hier hatte sie ihn gefüttert, mit ihm gespielt und seine ersten Schritte überwacht. Er war ihr lieb gewesen wie ein Sohn. Erst als Brahim bereits die Frauengemächer verlassen und sie schon beinahe nicht mehr damit gerechnet hatte, war sie selbst Mutter geworden. Wie stolz sie gewesen war, als man sie zum ersten Mal » Mutter von Saïd« genannt hatte! Nach weiteren Jahren des Wartens kam dann sogar noch ihre kleine Azîza zur Welt.
    Sîdi Hassan, der Vater dieser Kinder, hatte seinem Wunsch nach weiteren Söhnen allerdings zwischenzeitlich nachgegeben und eine weitere

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