Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
während Sarah mit dem alten Kapitän an Margalis Wiege stand. Er beugte sich über die Kleine. » Ma che bella bimba che sei«, flüsterte er und strich behutsam mit der Fingerspitze über die rosige Wange des schlafenden Kindes. » Was für ein hübsches Mädelchen, aber das wundert mich nicht, bei der Mutter. Und wie es gewachsen ist!«
Kapitän Pacelli war nicht nur freundlich und hilfsbereit, er war ihr längst zu einem Vertrauten geworden. In den Tagen nach Margalis Geburt hatte sie ihm ihr Herz ausgeschüttet. Stundenlang hatte er ihr zugehört, ohne ihren Redeschwall zu unterbrechen. Ihre Selbstanklagen hatte er mit abwehrendem Schnalzen und Kopfschütteln kommentiert, bei anderen Passagen die Brauen gehoben, und irgendwann hatte er seinen Arm um ihre Schultern gelegt, sie an seine Brust gezogen und sie sich ausweinen lassen. Dabei hatten auch in seinen Augen ein paar Tränen gestanden. Seit jener Nacht wusste Sarah, Eusebio Pacelli stand zu ihr, komme, was wolle.
» Was glaubt Ihr, warum mich der Ratsherr Capello sucht? Was bezweckt er?«, fragte sie. » Es heißt sogar, er habe eine Belohnung ausgesetzt, um mich aufzuspüren.«
Pacelli legte den Finger auf seine Lippen und deutete auf die Wiege. » Lasst uns nebenan weiterreden«, flüsterte er. Mit einem Blick auf das schlafende Kind verließen sie den Raum.
» Es begann, als eine Bedienstete der Capellos etwas über Euch herumerzählte. Von der Suche des Ratsherrn weiß ich also«, begann der Kapitän, » aber auch, dass er sie bisher nicht besonders nachdrücklich betrieben hat. Sicherheitshalber hatte ich Emmanuele beauftragt, die Angelegenheit während meiner Abwesenheit im Auge zu behalten. Auch mit Signora Rebecca hatte ich damals gesprochen und mit dem alten Jacopo. Ich musste nun einmal meine Verträge mit der Admiralität des Arsenals erfüllen, dort sind sie angewiesen auf die Holzlieferungen aus Afrika, deshalb konnte ich nicht bleiben. Ihr wart aber dennoch nicht allein.«
Sarah lehnte sich zurück. Der Kapitän hatte recht. Nicht nur er, auch die Freunde schützten sie nach Kräften, und das fühlte sich gut an. Doch schon Pacellis nächster Satz ließ sie zusammenfahren. » Ich denke, Monna Rebecca hatte von Anfang an recht: Er wird das Kind wollen.«
Entsetzt starrte sie Pacelli an.
» Seine Familie stirbt aus«, spann der Kapitän den Gedanken weiter, » das kann ihm nicht gefallen. Mit einem Kind von Marino aber könnte er das Abgleiten der Capellos in die Bedeutungslosigkeit aufhalten. Ob er allerdings weiß, dass es sich um ein Mädchen handelt? Aber auch das könnte ihm nützen, mit einer vorteilhaften Verheiratung, zum Beispiel. Jedenfalls seid wohl nicht Ihr es, die er sucht, sondern die bambina .«
Ein kalter Schauer kroch Sarahs Rücken hinauf. » Ich erinnere mich. Rebecca hat einmal davon gesprochen, als Margali geboren wurde . Über die Aufregungen in der letzten Zeit war es mir entfallen. Kann er mir Margali denn wegnehmen? Als Onkel ihres Vaters, meine ich?«
» So leicht sicher nicht. Er wird es vielleicht mit Geld versuchen.«
» Ihr meint, er will mein Kind kaufen?« Sarah sprang auf.
» Madonna, natürlich nicht! Denkt doch einmal nach. Andrea Capello ist kein schlechter Mensch, da gibt es ganz andere, aber er ist einflussreich und mächtig und weiß, wann er einen Beamten schmieren oder ein Angebot unterbreiten muss, das der Betreffende nicht ausschlagen kann. Er ist gewöhnt, seinen Willen zu bekommen.«
» Ihr meint, es könnte ihm gelingen, mir das Kind ganz offiziell streitig zu machen?« Sarah spürte, wie sich Panik in ihr ausbreitete. Schon konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wohin sollten sie flüchten? Wo waren sie sicher, wo konnten sie sich verbergen?
Pacelli antwortete nicht. Er goss Wein in zwei Gläser, schob eines davon Sarah über den Tisch zu und nahm einen Schluck. » Trinkt«, forderte er Sarah auf, » das beruhigt. Das ist es, was wir jetzt brauchen: einen klaren Kopf und ein ruhiges Herz. Dann wird uns eine Lösung einfallen.«
Es war still in Sarahs Arbeitszimmer, lediglich die Lampe fauchte leise.
40
» Was machst du hier? Ich glaube nicht, dass junge Mädchen nachts auf der Straße sein sollten, das ist gefährlich.«
Safia stand unbewegt wie eine Säule. Wer war das, dessen Arm ihr fast die Kehle zudrückte? Jetzt trat auch noch eine zweite, schattenhafte Gestalt herbei. Eigentlich hatte Safia gedacht, trotz ihrer zwölf Jahre sei sie mutiger als manch Ältere, nun aber
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