Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
hielt den Atem an. Angestrengt lauschte er, seine Augen bohrten sich in die Dunkelheit des engen Treppenaufganges. Bei Allah, was hatte sich Malika noch einfallen lassen?
Wie es aussah, ging es wenigstens seiner Mutter gut, Allah sei Dank, an sie hatten sie sich offenbar nicht herangewagt. Jedenfalls noch nicht, dachte er. Rette, was zu retten ist, schoss ihm durch den Sinn. Doch zugleich wusste er, er musste unbedingt einen klaren Kopf behalten.
Unten klappte eine Tür, und Schritte schlurften heran. Das konnte nur der halbtaube Hassan sein, der alte Wächter, der auf seiner nächtlichen Runde auch hier vorbeikommen würde. Saïd stöhnte auf. Er kam nun wirklich zur Unzeit!
Lautlos erklomm er die restlichen Stufen und verließ den dunklen Treppengang im gleichen Augenblick, als der Schein von Hassans Laterne den Fuß der Treppe erreichte.
Nur kurz hielt sich Saïd bei seiner Mutter auf. Eine Umarmung, ein paar Fragen und knappe Erklärungen sowie das Versprechen, am nächsten Tag zurückzukommen, schon verließ er ungesehen wieder die Kasbah. Durch die stillen Gassen rannte er zum Karawanenplatz.
Douda ging es sehr schlecht, daher hätte er am liebsten Hussein und Malika noch heute Nacht zur Rede gestellt. Aber Nurzha hatte ihm klargemacht, dass er damit in eine Falle gehen würde. » Das ist es, was Malika bezweckt. Sie will, dass du wütend wirst, du sollst Hussein beschuldigen, sollst unbewiesene Dinge behaupten, die ein schlechtes Licht auf dich werfen. Das aber würde nicht uns, sondern ihr nützen.« Seine Mutter hatte recht. Sie war ebenso entsetzt wie er, als er ihr von dem Gift berichtete, ihre Erstarrung hatte sich jedoch rasch wieder gelöst, und sie war an Doudas Lager zurückgeeilt.
Er keuchte. Die Besucher waren gegangen, nur zwei Feuer brannten noch in dem ummauerten Areal und warfen ihr Licht auf die widerkäuenden Kamele und seine Männer. Einige von ihnen ruhten bereits, andere unterhielten sich mit leiser Stimme, froh, die Mühen und Gefahren der langen Wüstenreise wieder einmal überstanden zu haben. Bündel, Säcke und Packen, Ballen und Salzblöcke lagerten ordentlich gestapelt beisammen, und nichts erinnerte mehr an das Durcheinander bei der Ankunft.
Abdallah trat aus dem Schatten des r’baat an Saïds Seite. » Du bist schnell zurück«, sagte er. » Was hast du herausgefunden?«
» Es ist furchtbar, schrecklich, schlimmer, als Abdul angedeutet hat. Du wirst mir nicht glauben, aber er geht über Leichen!«
Saïd brach ab. Er musste sich sammeln. » Über die Jungen bisher nichts Neues. Das Abholzen meiner Palmen ist als Kampfansage gemeint. Er lässt Frauen und Kinder hungern, und offenbar lässt er Douda vergiften.«
» Er«, damit war eindeutig Hussein gemeint.
Sprachlos starrte Abdallah Saïd an. » Meine Mutter tut, was sie kann«, ergänzte Saïd. » Wenigstens ihr geht es gut, Allah sei Dank. Noch, muss ich wohl sagen.«
Abdallahs Hände fuhren an den Gürtel, wo sein scharfer Dolch steckte. » Was schlägst du vor? Ihn überwältigen und gefangen nehmen?«
Saïd schüttelte den Kopf. » Nein, bedenke, die Sheïks haben sich für ihn entschieden. Sie wären gezwungen, ihn zu verteidigen. Außerdem ist es seine Mutter, die ihn antreibt. Sie würde jedem den Finger abhacken lassen, der auf ihren Sohn zeigt. Ohne sie ist er eine Laus, mit ihr gemeinsam aber gefährlicher als eine Sandviper!«
» Oh Allah … Was sollen wir tun? Du weißt, es stehen zahlreiche treue Männer auf deiner Seite.«
» Ouacha, ich weiß. Aber wir müssen klug vorgehen, Gewalt hilft nicht weiter. Höre also, mein Freund: Er will der mächtigste Mann an Sultan Ahmads Hof werden. Und um das zu erreichen, streckt er seine Hände nach unserer Karawanenladung aus! Sultan Ahmad wird Geld benötigen, und er verschafft es ihm, du verstehst? Als Erstes müssen wir also schleunigst die Waren wegschaffen, zumindest die wertvollsten Sachen. Damit durchkreuzen wir seinen Plan. Danach sehen wir weiter. Am besten, wir verteilen alles auf mehrere Verstecke.« Er winkte den Männern an den Feuern zu und rief: » Hamid und Idriss, ich brauche euch! Yallah, Beeilung!«
*
Kriegsherr? Das lieber doch nicht, dachte Hussein und betrachtete seine feingliedrigen Hände. Ratgeber aber, vielleicht sogar Wesir, diese Vorstellung behagte ihm mehr.
Ohne etwas Bestimmtes wahrzunehmen, ging sein Blick an diesem hellen Mittag über das Meer der flachen Häuser zu Füßen der Kasbah, streifte die strahlend weißen Minarette
Weitere Kostenlose Bücher