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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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geht und dass die Familie nicht zerbrechen darf.«
    » Dazu ist es bereits zu spät. Falls Douda stirbt … Oh Allah, er muss wahnsinnig geworden sein!«
    Nurzah wiegte den Kopf. » Es ist Malika, sie trägt das Böse im Herzen. Vermutlich bin ich an ihr schuldig geworden. Nein, lass mich ausreden, vielleicht werde ich nur dieses eine Mal davon sprechen können.«
    Saïd wusste wenig über den Alltag seiner Mutter, da er, wie alle kleinen Jungen, zeitig in den Männerbereich gewechselt hatte, um vom Vater zu lernen. Die Frauen aber hielten ihre Welt vor den Augen der Männer verborgen. Sie kannten viele Geheimnisse, da sie Leben schenken und Kranke heilen konnten. Vor allem jedoch ehrte man sie, weil sie neben dem Propheten niemals die alten Gottheiten vergaßen. Er wusste, sie brachten ihnen nach wie vor Opfergaben dar. Immer war etwas Rätselhaftes um die Frauen, auch um jene hier in der Kasbah, und sogar um seine Mutter.
    » Malika hat nichts zu verlieren«, begann Nurzah, » jedoch alles zu gewinnen. Das macht sie gefährlich. Ich erinnere mich, als sie damals kam, glitzerten ihre Augen, sie lachte und sang, wiegte sich beim Gehen in den Hüften, und ihre Zunge war spitzer als ein Dolch. Als sie dann ihren Sohn erwartete, protzte sie mit ihrem geschwollenen Leib, und als er auf der Welt war, kannte ihr Stolz keine Grenzen. Doch als dein Vater sie wenige Jahre später, nach deiner Geburt, nicht mehr aufsuchte, ihre Gesellschaft sogar mied, verstummte sie. Sie kümmerte sich um ihren Sohn, sonst aber schmückte sie sich Tag für Tag wie eine Braut, als könne ihr Mann sich jeden Moment besinnen und zu ihr zurückkehren. Sie wartete auf ihn, er jedoch blieb bei mir. Lieber spielte er mit dir als mit ihrem Sohn, und lieber unterrichtete er dich als ihn. Jahrelang ging das so. Ich hätte ihr helfen können, sie einladen, mit mir und den anderen Frauen zu spinnen, zu weben, gemeinsam den Hamam oder die Nachbarinnen zu besuchen, ich hätte sie ermuntern können, ihren Platz unter uns Frauen einzunehmen. Aber ich tat nichts dergleichen. Versteh mich richtig, ich intrigierte nicht gegen sie, so wie viele andere es vermutlich getan hätten. Ich unternahm überhaupt nichts gegen sie. Doch gleichzeitig unterließ ich alles, was Freude in ihr Leben hätte bringen können. Heute weiß ich, es war Eifersucht, die mich davon abhielt, und mein Stolz darüber, den Kampf um diesen Mann für mich entschieden zu haben. Dies ist meine Schuld. Natürlich wäre es besser für uns alle gewesen, dein Vater hätte nicht … Ich weiß, im Quran steht geschrieben: ›… nehmt euch als Frauen, was euch gut erscheint, zwei oder drei oder vier. Doch wenn ihr fürchtet, ihnen nicht gerecht werden zu können, heiratet nur eine.‹« Sie seufzte. » Nun, dein Vater vermochte es nicht, uns beiden gerecht zu werden.« Seine Mutter hob den Finger. Ihre nächsten Worte klangen besonders eindringlich, als wolle sie ihren Sohn ermahnen. » Ein Mann und eine Frau sind wie ein Augenpaar. Wir Sanhadja bevorzugen eigentlich die Ehe mit nur einer Frau, und das aus gutem Grund. Dein Vater aber träumte von vielen Kindern, daher hörte er nicht auf mich.«
    Sie blickte ihn an, und Saïd erkannte überrascht, dass seine Mutter alt geworden war. Sie redete klar und dachte vernünftig, doch ihr Gesicht war hager geworden, voller Falten, und die Haut grau und stumpf. » Allah möge mir verzeihen, wenn diese Familie deswegen zerbricht.«
    *
    Saïd lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. War ein Mensch fähig, aus keinem anderen Grund als zerronnener Hoffnung so tief zu hassen? Konnte enttäuschte Liebe wirklich eine derart zerstörerische Kraft entfalten? Es schien so, aber mindestens die gleiche Stärke entwickelte sie auch für das Gute, das Heilende und Bewahrende, immerhin überwand sie Schwierigkeiten und Entfernungen . Seine Finger spielten mit dem kleinen Beutel auf seiner Brust. Dann zwang er seine Gedanken zurück zu den gegenwärtigen Ereignissen.
    Die Goldkisten im alten, halb verschütteten Brunnen lagen gut unter den Steinen verborgen, die sie darübergehäuft hatten, ebenso die Elefantenzähne, die unter dem Brennvorrat der Töpferei, einem gewaltigen Berg trockener Palmwedel, steckten. Hamid hatte die Säcke mit den Korallen und den strahlend weißen Muscheln, auf die er schon während der vergangenen Wochen ein wachsames Auge gehabt hatte, vergraben und, wie er sagte, Futter für den Esel und die Ziegen darüber verteilt, um

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