Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
sich dieses Scheuchen vorstellte. Seine Augen glänzten. » Ach, es ist beinahe wie in den guten alten Zeiten! Und du, junger Sheïk, bist wahrhaftig ein würdiger Nachkomme deiner stolzen Vorväter, ein sa’adischer Löwe wie sie. Wem, wenn nicht dir, könnte es gelingen, unserem Volk die Freiheit zu erhalten? Mit Allahs Hilfe.«
Saïd dankte Sheïk Mahmud. Die Begeisterung des Alten erinnerte ihn daran, dass es hier keineswegs allein um seine Familie ging oder gar um sein persönliches Dilemma, vielmehr stand die Freiheit unzähliger Menschen auf dem Spiel. Wie eine Windböe, die plötzlich heranbrauste und unklare Spuren im Sand löschte, hatten die Worte des alten Sheïks seine Zweifel weggefegt.
*
» Du hast nichts davon gesagt, dass der Sultan seine halbe Armee schicken würde, kein Wort! Ich dachte, er schickt ein paar Janitscharen, um meines Ansehens willen, aber nun? Diese vielen Männer! Hast du gewusst, dass sie Forderungen stellen? Ihr Aga ist aufdringlich, er verlangt Unterkunft für seine Männer und Futter für ihre Pferde, wohlgemerkt: verlang t ! Und er lässt sich nicht abweisen. Hast du gesehen, wie er mir gegenüber auftritt? Als sei er der Herr, und nicht ich!« Der amghar zupfte an seinen Fingern, die bereits wund waren vom vielen Rubbeln und Reiben. Er war missgelaunt. Eigentlich wollte er längst unterwegs nach Féz sein, doch noch immer war der Traum seines triumphalen Einzugs in jener prächtigen Stadt nicht wahr geworden. Stattdessen musste er sich mit unverschämten Forderungen und anderen lästigen Dingen abgeben.
» Ihr habt selbst die Botschaften aus Féz vernommen, Sheïk Hussein. Auch ich würde derzeit von einem Aufbruch abraten.« Der Imam Sîdi Alî ließ sich nicht anmerken, dass er sich über die widersprüchlichen Nachrichten wunderte, die aus dem Norden bis hierher drangen. Einige seiner Spione hatten von verdächtigen Truppenbewegungen und Konzentrationen gesprochen, andere sogar von kleineren Gefechten in den Bergen, während wieder andere solchen Berichten heftig widersprachen. Vorsichtshalber verlor er kein Wort über dieses Durcheinander, je unsicherer die Zeiten, desto gefestigter musste man dem amghar gegenüber auftreten.
Darüber hinaus hatte man trotz der verlockenden Belohnung immer noch keine Spur jener Schätze gefunden, die die Karawane angeblich mit sich geführt hatte. Bisher hatte er noch nicht einmal eine Andeutung aufschnappen können, eine Tatsache, die auf Sheïk Husseins Stellung in der Stadt wahrlich kein gutes Licht warf.
Sîdi Alî ertrug das nervöse Herumgelaufe des amghar zwischen Fenster und Tür kaum noch. Er legte seine Hand auf Husseins Arm. » Der Aga wird sich ungeschickt ausgedrückt haben, Sheïk, ich werde mit ihm sprechen. Und was die Soldaten angeht, bei ihnen handelt es sich um Grenzwächter, die bis jetzt in losen Trupps in der Gegend unterwegs waren. Die meisten von ihnen sind zwar nur Rekruten, die ihre Militärstiefel erst noch einlaufen müssen, dennoch solltest du dich freuen, sie in der Stadt zu wissen.«
» Ach ja? Weißt du, was mich allein ihre Verpflegung kostet? Oder gibt es Neuigkeiten?«
» Nicht, dass ich wüsste, es ist ruhig in der Stadt. Hin und wieder glaube ich allerdings, so etwas wie Auflehnung oder Widerstand zu spüren. Nach dem Gebet stehen die Männer vor der Moschee beieinander und reden sich die Köpfe heiß, aber sobald ich mich ihnen nähere, verstummen sie.«
» Vielleicht erregen sie sich ebenfalls über die vielen Soldaten? Bedrohlich und fremd genug wirken sie mit ihren Schnurrbärten, den osmanischen Gewändern und hohen Turbanen.«
Dem Imam war klar, dass dies Lâlla Malikas Gedanken waren. » Aber unter ihren Umhängen tragen sie Waffen, die deinem Schutz dienen. Die Männer sind übrigens nicht nur geübte Bogenschützen, zu ihrer Ausrüstung gehören auch die neuartigen Feuerwaffen. Zudem beherrschen sie meisterlich den Kampf mit Säbel und Beil. Wer sich auflehnt, wird unweigerlich ihre harte Hand zu spüren bekommen.«
Trotz seiner Bemühungen, Sheïk Husseins Blick auf die Vorzüge einer starken Sicherheitstruppe zu lenken, schien der amghar nach wie vor unzufrieden zu sein. Sîdi Alî verstand diesen Mann von Tag zu Tag weniger. Was erwartete er denn? Sollte der Sultan, beziehungsweise Abu Hassun, Regent und insgeheim der eigentliche Herrscher dieser neuen osmanischen Provinz, sollten die beiden etwa den amghar von Sijilmassa dankbar in die Arme schließen? So arbeitete dieses
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