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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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vergeudete er keine Zeit. Er hatte nur einen Tag benötigt, und bereits mit dem Errichten des ersten abendlichen Lagers unter seiner Leitung war es ihm gelungen, Ordnung in seiner » Bockherde« herzustellen. Er verfügte über eine laute Stimme und gab den Männern klare Anweisungen, und beim geringsten Ungehorsam tat er stets das Gleiche: Er riss seinen chêche vom Kopf und stierte den Übeltäter mit drohend gerunzelten Brauen an, bis jener wünschte, unsichtbar zu werden. Danach setzte es Flüche und Ermahnungen, während er gleichzeitig seinen chêche neu wickelte.
    Inzwischen waren sie seit mehr als drei Wochen unterwegs, und Saïd fühlte sich leidlich zufrieden, obwohl er seine Ungeduld nur schwer zügeln konnte. Sie ritten von Dorf zu Dorf, er sprach mit den caïds und warb für seinen Feldzug. Außerdem kaufte er, wo immer möglich, zusätzliche Lanzen, Dolche und Krummsäbel, die er an ungenügend ausgerüstete Kämpfer ausgab, sowie Futter für die Tiere und Essen für seine Männer. Den caïd von Tamnougalt hatte er vorab durch Boten informiert, so dass er damit rechnete, noch heute Zuwachs aus dessen Einzugsgebiet zu bekommen. » Insgesamt zweihundert Mann, höchstens, mehr brauchen wir nicht«, hatte Sîdi Latif gemeint. » Je mehr Krieger, desto mehr Lärm, und dann ist es schnell vorbei mit ›unauffällig anschleichen‹.« Und als sie am Ufer des Oued Draá anlangten, zählte Saïd bereits mehr als hundert entschlossene und kampfbereite Männer, die ihm folgten.
    Die Tiere waren getränkt und das Lager errichtet. Wie jeden Abend ließ Sîdi Latif auch heute die Männer noch einmal die Grundlagen der Beduinentaktik üben. Dazu gehörte natürlich zuallererst die Beherrschung der Reittiere. Aber auch das lautlose Annähern kleiner Trupps von sieben bis neun Reitern und die Verständigung durch Handzeichen oder, bei Dunkelheit, durch den Jagdschrei des Falken mussten sie sich einprägen. Am schwierigsten war das gleichzeitige Zuschlagen mehrerer dieser Einheiten von verschiedenen Seiten, besonders zu Fuß und in größeren Gruppen. Diese Taktik sollte den Gegner verwirren, auch weil er auf diese Weise keine Klarheit über die Zahl der Angreifer hatte. Es sollte aussehen, als seien sie überall und zahllos.
    Von einem der Hügel beobachtete Saïd die Übungen. Ihm kam Sîdi Latifs Taktik raffiniert und wirksam vor, besonders, wenn er an die Schlagkraft osmanischer Waffen dachte, doch die Männer mussten wohl noch üben.
    Eine Ausbildung für den Kampf Mann gegen Mann war aus Zeitgründen kaum möglich, das war beiden klar. » Von der Kriegskunst der Osmanen können wir den Leuten nur berichten. Andererseits, welcher Knabe hat keine Erfahrung mit Raufereien und Ring- und Faustkämpfen aller Art? Doch der ›Jagdstoß der Falken‹ wird ihnen, Allah sei Dank, immer vertrauter, diese Kampftechnik wird ihnen auch im Nahkampf nützen. Hierin liegt eindeutig unsere Stärke, also werden wir darauf setzen.«
    Ein vernünftiger Mann, dieser Sîdi Latif, trotz seiner Marotte mit dem chêche. Saïd wendete sein Kamel und ritt ein Stück die Bergflanke hinauf. Es tat gut, einen Moment allein zu sein und den Blick auf den unzähligen, im Abendlicht glänzenden Palmen ruhen zu lassen.
    Gönne dir jeden Tag einen Moment der Besinnung, hatte ihm sein Bruder Brahim vor Jahren geraten. Wie viel Zeit seitdem vergangen war und wohin es ihn inzwischen getrieben hatte. Anstatt sich für die Familie einzusetzen und sie zu schützen und zu stärken, versammelte er gerade eine Armee zum Krieg gegen seinen eigenen Bruder. Ausgerechnet er würde gegen das eigene Blut kämpfen? Dies widersprach nicht nur seinem Familiensinn, es brach auch mit allen Traditionen.
    Sheïk Mahmud, der Führer des Tals der Quellen um das Dorf Aït Saadane, eine knappe Tagesreise von Sijilmassa entfernt, lenkte seine alte Kamelstute an Saïds Seite. Die Ungeduld hatte den Alten aus seinem Dorf vertrieben, und so war er ihnen bis zum Draá entgegengeritten. Seit Tagen erwartete er sie hier.
    » Sagte ich eigentlich schon«, begann er, » dass mein Freund Sheïk Wahlid aus Ksar es Souq ebenfalls eine Kampftruppe zusammenstellt? Ein Bote von Sultan Muhammad trug es ihm auf. Wahlid erwartet dich im Tal des Blauen Brunnens, um dir nach deinem Sieg in Sijilmassa – insha’allah, wenn Allah will – dabei zu helfen, die osmanischen Hunde nach Norden zu scheuchen.« Sheïk Mahmud richtete sich auf seinem Kamel auf und deutete mit wedelnden Händen an, wie er

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