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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Pest!« Der Buchstabensammler füllte die nächste Ladung in den Poncho. »Jetzt hör auf zu schwatzen und hilf mir!«
    Zögernd ließ sie ein paar der Blüten über die Geländerstange gleiten. Und dann noch eine. Sie konnte das nicht. Sarrakhan, das waren lebende Wesen!
    »Hör mal«, murmelte sie, »müssen wir das tun?«
    »Ja, müssen wir.«
    »Warum?«
    »Weil sie sonst verraten könnten, was sie gesehen haben.«
    »Verraten? Wem?«
    »Dem Imperator!«
    Jetzt begriff sie überhaupt nichts mehr. Hatte der Buchstabensammler den Verstand verloren? Und was würde er erst sagen, wenn er Ken und Santino entdeckte? Und Nessa und die Horde kleiner Purpurkätzchen? Würde er die auch ins Feuer schmeißen?
    Umo tobte weiter, während sie erstarrt an der Brüstung stand. Wie eine Maschine schaufelte er die Akeleiblüten zusammen, trug sie zum Dachrand und stürzte sie hinunter.
    »Wenn du sie nicht magst«, schrie Marielle, »versetz sie doch einfach an einen anderen Ort!«
    »Bist du still!« Wütend funkelte er sie an, wandte sich wieder ab und setzte sein Vernichtungswerk fort.
    Rasch blickte Marielle sich nach einer Form um, die als Rahmen für ein Tor dienen konnte. Zwischen der Brüstung und einem Segment des aufgesetzten Geländers bildete sich ein längliches Rechteck. Ja, das konnte gehen. Sie fuhr mit den Fingern über Beton und Metall, spürte nach dem Gewebe. Die Maschen glucksten und dehnten sich und züngelten nach einem Anker. Der Schlüssel. Sie hob eine Akeleiblüte auf, zupfte ein Blättchen aus und tauchte es ein. Die Fäden der Realität ertasteten seine Form und Beschaffenheit und
erkannten
seine Natur. Sie akzeptierten den Anker, sie vibrierten, sie würden sich erinnern. Gut. Mit halbem Auge schielte sie nach dem Rücken des Buchstabensammlers, während sie die Form stärkte und die Ränder verfestigte und vorsichtig auf die andere Seite tastete. Sie stellte sich das Lager der Ojibwe-Indianer vor. Die hohen Bäume, die Traumfänger in den Ästen, die Hütten aus Astwerk, Grassoden und Lederstücken.
    Ihre Finger tasteten in die kalte Leere, so wie immer, wenn sie in den letzten Tagen ein Portal errichtet hatte. Wahrscheinlich führte auch dieses Tor nicht ins Ojibwe-Lager, sondern an einen gänzlich anderen Ort. Aber egal, alles war besser als die Feuerlohe dort unten.
    Sie nahm eine Blüte, berührte die Blättchen mit ihren Lippen und wisperte einen Abschiedsgruß. Dann schob sie sie zwischen Geländer und Brüstungskante hindurch, ins Tor. Die Akelei verschwand einfach, statt nach unten zu fallen. Perfekt.
    Sie raffte sich die Arme voller Blüten und stopfte sie alle durchs Tor. Für den Buchstabensammler musste es so aussehen, als würde sie sie hinunterwerfen. Sie wagte nicht, ihn in seiner Rage aufzuhalten, doch zumindest konnte sie so ein paar Blumen retten.
    Es dauerte Stunden, bis alle Akeleien vom See verschwunden waren. Umos Wut verringerte sich dabei kein bisschen. Bis zur letzten Blüte tobte er durchs Wasser und stürmte danach kreuz und quer durch den Garten, spürte sogar die letzten beiden auf, die sie im Wäldchen gesehen hatte.
    Zuletzt deutete er auf ihre Kette. »Und jetzt die da.«
    »Warum?«, fauchte sie.
    »Weil sie nicht verraten dürfen, was sie gesehen haben.«
    »Aber was haben sie denn gesehen?«
    »Mein Heim! Mich!« Er streckte seine knochigen braunen Finger danach aus.
    Sie wich zurück und pflückte sie sich selbst vom Hals. »Schon gut. Ich mache es.«
    Mit zusammengekniffenen Lidern beobachtete er, wie sie die Blüten über die Brüstung schob. Sie drehte sich zu ihm zurück und zerrieb hinter ihrem Rücken den Schlüssel zwischen ihren Fingern. Das Portal begann zu verblassen.
    »So!« Inzwischen war sie genauso wütend wie er. »Zufrieden?«
    Seine Miene glättete sich ein wenig. »Du weißt nicht, welche Bedrohung da draußen lauert.«
    »Die Spalthunde?«
    »Mein liebes Kind, du hättest dir keinen unglücklicheren Zeitpunkt aussuchen können, um mich zu besuchen.«
    »Und ich habe auch noch Gesellschaft mitgebracht.« Es nutzte ja nichts. Sie hielt seinem Blick stand.
    »Ich weiß«, sagte er. »Interessante Freunde hast du da.«
    »Also, was sind nun die Kjer? Und der Imperator?«
    Der Buchstabensammler stapfte aus dem Teich. Er blickte an sich hinab, zupfte mit zwei Fingern an einer Falte in der Hose und blinzelte. Die Luft um ihn schimmerte ein wenig, wie eine Woge plötzlicher Hitze, dann waren seine Kleider trocken. Marielle blinzelte. Es kam nur selten

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