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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Santino.
    »Ja, genau. Das war die Gang von meinem Bruder.« Er hatte nicht geglaubt, dass es so schwer sein würde, das einem Fremden zu erzählen. Er schämte sich entsetzlich für seinen Vater und für Pat, vor allem seit er wusste, dass Pat Schutzgeld bei den Ladenbesitzern eintrieb und kleine Leute einschüchterte. Peinlich war das, zum Heulen peinlich. »Sie denken, ich hätte ihn an die Cops verpfiffen.«
    »Und hast du?«
    »Nein, aber ich will mit seinen Drecksgeschäften nichts zu tun haben. Er lässt mich nur nicht in Ruhe. Er und Dad sind in allen möglichen kriminellen Mist verwickelt, und Dad prügelt Mom grün und blau, wenn ihm gerade danach ist.«
    »Und du weißt nicht, wie du dich wehren sollst?«
    »Ich bin kein guter Kämpfer«, murmelte Ken. »Ich war schon auf dem Schulhof immer der Blödmann, den die anderen in die Pfütze geschmissen haben.«
    Santino musterte ihn mit einem langen Blick, der bei seinen Füßen begann, über seinen Körper nach oben glitt und bei seinen Augen verharrte. »Du siehst aber aus, als könntest du einer werden.«
    Ken zuckte mit den Schultern. »Ich bin viel mit dem Fahrrad unterwegs. Und ich kann ganz gut klettern.« Okay, er glaubte, dass er eigentlich ein sensationell guter Kletterer war, aber er wollte sich vor dem Magier nicht aufspielen.
    »Aber wenn du zurückschlagen sollst, hast du Angst, dir die Hand zu verstauchen?«
    »Keine Ahnung. Es ist mehr so, dass ich nicht weiß, was ich machen soll. Wenn Pat mir eine reinhaut, kann ich mich normalerweise einen halben Tag nicht mehr bewegen.«
    »Dann hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du machst, dass du wegkommst, bevor er dich erwischt. Oder du bist schneller als er und schlägst zuerst zu.«
    »Ich haue seit fünfzehn Jahren ab, aber meistens erwischt er mich doch. Und wenn ich mich wegschleiche, wenn Dad ausrastet, lässt er es an Mom aus.«
    »Und dann fühlst du dich wie ein elender Versager.«
    »Genau.« Ken lehnte sich gegen einen Pfeiler.
    »Aber du willst ihnen eine Lehre erteilen, dass sie es nie mehr wagen, dich oder deine Mutter auch nur schief anzusehen.« Santino stand von seiner Kiste auf, den Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln verzogen. Es reichte nicht bis hoch in seine Augen. »Du weißt, dass das so nicht funktioniert, nicht wahr? Dass es nicht reicht, sie einmal einzuschüchtern, und dann sehen sie ihre Fehler ein und werden zu guten Menschen? Das geschieht nicht im echten Leben. Sicher, du kannst ihnen klarmachen, dass es keine gute Idee ist, dich herauszufordern. Aber danach wirst du die Augen offenhalten müssen, denn sobald du ihnen den Rücken zudrehst, werden sie die Messer wetzen. Solche Leute vergessen nicht. Und sie ändern sich nicht.«
    »Also soll ich einfach die andere Wange hinhalten oder was?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Aber vielleicht musst du deine Mutter von dort fortbringen, wenn du sie schützen willst. Oder dafür sorgen, dass dein Vater und dein Bruder nicht mehr in ihre Nähe gelangen.«
    Ein Haus für Mom am Ufer des Orchard Lake, mit seiner Insel voller Apfelgärten. Ein schöner Traum. Die Häuser am Seeufer kosteten um die vierhunderttausend Dollar, und wenn er seine Ersparnisse dagegenhielt, konnte er eigentlich nur irre lachen oder in Tränen ausbrechen. Andererseits, Marielles Geschichten über den angeblich unermesslichen Wert der Flüster-Akeleien schürten seine Hoffnungen. Wenn er AP -Test und College vorläufig in den Wind schoss, wenn er mit Santino ging und lernte, zwischen den Welten zu wandern, wenn er ein paar mehr von diesen Blüten formte und sie verkaufen konnte, wenn alles gut ging und er sich nicht mit einem missglückten Zauber in die Luft jagte … ja, dann konnte er eines Tages wohl ein Haus am Orchard Lake kaufen und einen Arzt bezahlen, der Mom auf sanfte Art in die Realität zurückführte.
    Doch bis dahin brauchte er einen Plan B. Und er hatte wirklich Panik, aus dem Depot zu spazieren und drei Meter vor der Haustür Pats Schlägern in die Arme zu laufen, die noch erbost vom letzten Zusammentreffen waren.
    »Ja okay«, sagte er. »Ich weiß. Aber kannst du mir nicht trotzdem ein paar Tricks beibringen?«
    »Straßenschlägertricks?« Santino verschränkte seine Finger ineinander und dehnte sie, bis die Gelenke knackten.
    Ken nickte hoffnungsvoll.
    »Na schön. Warum nicht.« Der Magier trat in einen Bereich zwischen vier Pfeilern und schleuderte ein paar Kissen beiseite, bis der Boden leer war. Er blieb stehen, mit dem Rücken zu

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