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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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vor, dass Umo seine Macht demonstrierte, und die Beiläufigkeit, mit der er es tat, machte ihr deutlich, wie sehr seine hutzelige, kleine Gestalt und sein schrulliges Wesen über seine Fähigkeiten hinwegtäuschten.
    Dieser Taschenspielertrick verlangte zwar keine rohe Gewalt, aber dafür die Präzision eines Chirurgen. Sie kannte Santino lange genug, um zu wissen, dass jeder mittelmäßige Former-Adept Feuer schleudern konnte, die viel größere Kunst jedoch darin bestand, eine dreistöckige Zuckertorte mit Fayeí-Ornamenten aus Karamell zu erschaffen. Oder Kleidungsstücke mit einem Wimpernschlag zu trocknen, ohne dass sie dabei in Flammen aufgingen.
    »Das Imperium von Kjer«, sagte der Buchstabensammler, als sie schon glaubte, keine Antwort mehr zu bekommen. »Die schrecklichste Geißel, die je aus den nebligen Tiefen des Rabenfächers aufgestiegen ist. Ich dachte, sie könnten nicht über die Grenzen der Dimension hinausgelangen, doch das scheint sich geändert zu haben.«
    »Und was haben die Flüster-Akeleien damit zu tun?«
    »Sie sind seine Augen und Ohren, mein Kind. Die Augen und Ohren des Imperators.«
    Aber das war doch verrückt. Magister Féach hätte ihr die Blüten sicher nicht auf die Tunika nähen lassen, wenn sie so gefährlich waren, wie der Buchstabensammler behauptete. Und sie hatten ihr ja auch wirklich geholfen, solange sie sie bei sich getragen hatte.
    Nun wusste sie gar nicht, wie sie die Frage vortragen sollte, wegen der sie gekommen war. Ob es einen anderen Weg gab, diesen Schlüssel zu beschaffen, für den sie Newan heiraten sollte. Sie hatte nicht das Gefühl, dass Umo ihr in dieser Stimmung überhaupt Gehör schenken würde. Eine milde Verzweiflung kroch in ihr hoch. Hoffentlich beruhigte er sich wieder.
    »Ich muss meine Sachen packen«, murmelte der Buchstabensammler. »Wir müssen schleunigst raus aus dieser Sphäre.« Er schoss ihr einen Blick zu, während sie durchs Wäldchen zurück zu den Treppen eilten. »Ich denke, wir haben noch vierundzwanzig Stunden. Danach führt kein Weg mehr hinein oder heraus, es sei denn, durch den Riss der Kjer. Und diesen Pfad will keiner von uns gehen.«

    Beim Duschen tat Ken jeder Muskel weh. Er war überzeugt, dass es keine einzige Stelle an seinem Körper gab, die nicht von einer Prellung oder einer Zerrung oder einer Schramme bedeckt war. Es mochte ja sein, dass man Straßenkampf nur am praktischen Beispiel erlernen konnte und Theorie dabei wenig taugte. Aber so eindringlich hätte der Magier ihm das nun auch wieder nicht demonstrieren müssen.
    Er dachte, dass er sich irgendwie heldenhaft fühlen müsste, nach einer Lektion im Kämpfen. Jetzt war er sich nicht mehr sicher, was genau er erwartet hatte. Heldentum war jedenfalls nicht die vorherrschende Gefühlsregung, wenn er seine schmerzenden Rippen betastete.
    Er drehte das Wasser ab, hinkte zum marmornen Waschtisch und wickelte sich in ein großes, weiches Badehandtuch. Er blieb auf der Ecke der Tischplatte sitzen, wischte den unteren Teil des Spiegels frei und sah sich an.
    July würde das gefallen, dachte er mürrisch. Vier-Tage-Bart, das Gesicht voller Schrammen, sah er allmählich wirklich aus wie ein Gangsterprinz aus der Bronx. Er hob einen Arm, um sich die feuchten Haarlocken aus der Stirn zu streifen und tastete über eine Prellung an der Schulter.
    »Autsch«, murmelte er, als die Bewegung einen Schmerz seinen Arm hinuntertrieb.
    Die Schlieren im Spiegel bewegten sich. Scheinbar hatte seine Wahrnehmung beim Schlag auf den Kopf gelitten. Eine weiße Linie irritierte ihn, die da zuvor nicht gewesen war. Er beugte sich zur Seite, um sie aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten – und starrte genau in ein Paar pechschwarzer Augen.
    »Mein Gott!« Er zuckte so heftig zusammen, dass in allen Gliedern kleine Schmerzvulkane ausbrachen, stürzte beinahe, während er vom Waschtisch glitt und fuhr herum. »Wer sind Sie?«
    »Das ist eine seltsame Frage«, sagte der alte Mann, der in der Tür aufgetaucht war. »Für einen Gast, noch dazu einen ungebetenen, an seinen Gastgeber.«
    »Sie sind der Buchstabensammler?« Der Kerl, dessen Blumengarten er verwüstet und neu umgestaltet hatte, genau. Ken tastete nach dem Handtuch und vergewisserte sich, dass es noch fest um seine Hüften lag.
    »Der Buchstabensammler?« Der Alte sprach das Wort fast träumerisch aus. »Nennt die Prinzessin mich so? Der Einfachheit halber kannst du Umo zu mir sagen.« Er sah nicht bedrohlich aus, sondern wie ein

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