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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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paar Dinge.« Er schüttelte den Kopf. »Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Das Herz des Imperiums von Kjer erhebt sich an den Gestaden der Ewigen Ozeane. Eine riesige, Furcht einflößende Stadt, und ihre Herrscher unterhalten die gewaltigste Eroberungsarmee des bekannten Spektrums. Die Legionen der Kjer fallen über ihre Nachbarreiche her wie Heuschreckenschwärme. Wer sich nicht unterwirft, wird ausgelöscht. Sie hinterlassen nur Asche und verbrannte Träume. Auf dem Boden, den sie vergiften, gedeiht für Jahrtausende kein Grashalm mehr.«
    Sie merkte selbst nicht, dass sie den Atem angehalten hatte, bis sie in sein Schweigen hinein nach Luft schnappen musste. Unter seinen Worten schwelte ein schlecht verhehlter Schmerz. Sie kam sich vor wie ein Voyeur. Trotzdem überwältigte ihre Neugier das Fünkchen Anstand in ihrem Innern. »Hast du sie gesehen? Warst du dort?«
    »Sie haben meine Heimat niedergebrannt«, murmelte er. »Die Sommerküste war eine Perlenkette weiß glänzender Städte, die mit Handel und Pferdezucht zu Reichtum gelangt waren. Aruadh war die schönste von ihnen. Nach der Invasion der Kjer ist nichts davon übrig geblieben, außer ein paar Mauerresten, keiner davon höher als mein Knie.«
    »Das tut mir leid«, stammelte sie.
    »Braucht es nicht.« Er hob den Kopf und stieß sich vom Pfeiler ab. Die Melancholie in seinem Blick sank zurück ins Dunkel. Ein Lächeln glitt ihm über die Lippen, ein Schulterzucken. »Es ist lange her.«
    »Wie lange?«
    »Lange vor deiner Zeit.«
    Jetzt tobte auch in ihrem Kopf ein kleiner Wirbelsturm. Sie hatte sich ja schon gedacht, dass mit den Kjer nicht gut Kirschen essen war, auch nach den Bemerkungen, die die Ojibwe-Indianer gemacht hatten. Schlimmer noch, Aan’aawenh und ihr übellauniger Bruder Baswenaazhi hatten erwartet, dass die Kjer hierherkommen würden. Vielleicht durch die Risse am Horizont? Öffneten die Sprünge in der Realität einen Weg für die Kjer? Ihr wurde schlecht. Nicht, dass es einen Unterschied machte, wenn die Welt sowieso unterging, aber das Bild einer tötenden und plündernden Armee flößte ihr deutlich mehr Grauen ein als die Vorstellung einer Sphäre, die sich einfach in Nichts auflöste. Vor allem in Níval. Denn wenn die Kjer durch diese Risse in Dämmer-Detroit einfallen konnten, dann konnte das auch am Nebelsee geschehen. Die Risse ließen sich schließen, wenn es nach Magister Féach ging. Aber eine Legion brandschatzender Soldaten, wie sollten sie denen trotzen?
    »Sarrakhans Gnade«, wisperte sie. »Heißt das, sobald eine Welt Risse bekommt, schicken die Kjer ihre Invasionsarmeen hindurch? Wie lange dauert das, bis sie herausfinden, dass es die Risse gibt? Die Ojibwe haben etwas von Kjer-Spähern gesagt.«
    Santino kniff die Augen zusammen, als hätte er Mühe, ihren Gedankengängen zu folgen.
    »Ich meine, das heißt, wir müssen die Risse in Níval so schnell wie möglich schließen, oder? Selbst wenn die Welt erst in ein paar Jahren auseinanderbricht, die Kjer könnten viel früher auftauchen!«
    Er machte ein unartikuliertes Geräusch.
    »Also müssen wir so schnell wie möglich den Schlüssel für das Portal zur Ankerwelt besorgen.« Das mulmige Gefühl in ihrem Magen quoll auf zu echter Übelkeit. »Das heißt, dass ich Prinz Pickelhefe heiraten muss, wenn der Buchstabensammler nicht noch eine andere Möglichkeit weiß. Sonst ist es meine Schuld, dass Níval von den Kjer gebrandschatzt wird.«
    Der Magier erwiderte gequält ihren Blick. »Marielle –«
    Sie schüttelte den Kopf. »Schon klar. Ich soll es hinnehmen wie eine echte Prinzessin.«
    Ein Schweigen entstand. Er öffnete den Mund und sie hatte den Eindruck, dass er noch etwas sagen wollte. Doch was immer es war, er sprach es nicht aus. Denn im gleichen Augenblick tauchte Ken von der Treppe her auf, und er sah nicht gut aus. Die Haare kringelten sich ihm feucht auf den Schultern, er lief barfuß, er hielt seine Schuhe an den Schnürsenkeln in der Hand. Außerdem hinkte er.
    »Hey«, rief er schon aus der Entfernung, »gibt’s einen Weg, sich aus dieser Festung zu schleichen, ohne dass einen die Hunde bemerken?«
    »Warum?«, fragte Santino.
    »Ich muss wohin.«
    »Du kannst hier nicht raus. Nicht, ohne dich mit zwei Dutzend dieser Biester anzulegen.«
    »Aber irgendwie muss dieser Kerl doch auch reingekommen sein.«
    »Wer?«, fragte Santino.
    »Der Buchstabensammler«, antwortete Marielle an Kens Stelle. »Aber ich glaube nicht, dass er durch das Portal

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