Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
Stöhnend rollte er sich herum. Er mühte sich aufzustehen. Einen halben Blick erhaschte er auf den Buchstabensammler, der zwischen den Bäumen lag, ein winziger Körper unter einem Haufen weißen Leinens. Das Seil, mit dem er die Weide gekrümmt hatte, war gerissen.
    Seine Sinne schienen in eine dicke Schicht Watte gehüllt. Geräusche drangen nur gedämpft in sein Bewusstsein.
    Die Festung sackte ein zweites Mal durch. Der Ruck warf ihn auf Hände und Knie. Doch dieses Mal war der Sturz nicht so tief. Er hob den Kopf und starrte einem Spalthund in das aufgerissene Maul, der gerade über die Brüstung setzte. Ohne nachzudenken, streckte er eine Hand aus und dachte: Feuer. Ein dünner Flammenstrahl schoss dem Biest entgegen. Der Hund jaulte auf, als der sengende Faden ihn traf, und überschlug sich am Boden.
    Ken schaffte es, sich aufzurichten, bevor das Tier wieder auf die Beine kam, griff in die Tasche seines Sweatshirts und zog einen Kiesel hervor. Er schleuderte das Geschoss mit Inbrunst. Der Stein fing Feuer und explodierte im Moment des Aufpralls zu gleißender Lava.
    Durch den Schleier aus Rauch und Hitze nahm er eine dunkle Woge wahr. Der Horizont selbst schien sich zu verbiegen. Einen Herzschlag später begriff er, dass es gar nicht der Himmel war, sondern die Legion von Spalthunden, die auf die Festung zustürmten, nun, wo sie sich wie ein gefallener Titan ins Erdreich gegraben hatte. Die Brüstung bebte auf einer Höhe mit dem grasigen Boden. Das konnte nur bedeuten, dass das Bauwerk in die Kluft gestürzt war und sich in den Wänden verkeilt hatte.
    Ihn überwältigte ein solches Grauen, dass er sekundenlang dem Verhängnis entgegenstarrte, ohne etwas tun zu können. Die ersten Hunde kamen so nahe, dass er die Zahnreihen in ihren Mäulern erkennen konnte. Panisch griff er nach Feuer, doch das Gewebe glitt ihm durch die Finger und zerfaserte.
    Er starrte buchstäblich dem Tod ins Auge, als ein Schatten neben ihm auftauchte, und dann eine Sturmwand in die Bestien hineinraste, zehn oder zwanzig Stück von ihnen zurückschleuderte, sie emporwirbelte, sie in die Kluft stürzte. Die Angriffswelle zerbrach. Geifernd und jaulend rutschten die Bestien über den Beton, überschlugen sich. Die bösartigeren unter ihnen schnappten nach ihren verwundeten Artgenossen. Das Gebrüll der Devora erschütterte die Luft.
    Ken drehte den Kopf und erfasste Santino, der das Schwert in einer Hand hielt, die andere mit dem Armreif ausgestreckt, die Finger verkrampft, das Gesicht schmerzverzerrt. Eine zweite Sturmwoge löste sich, eine Serie kleiner Tornados, die sich in die Reihen der Bestien wühlten und dort Verwüstungen anrichteten. Der Boden erbebte, als die Devora sich in Bewegung setzte. Mit kurzen, unbeholfenen Galoppsprüngen näherte sie sich.
    Der neu entstandene Superriss klaffte so breit auf wie zwei Hochhausblöcke. Mehr vom gelblichen Nebel quoll heraus. Aus den Schwaden tropften Schleimbrocken zu Boden. Einer, der größer war als die anderen, regte sich beim Aufschlag. Wie gebannt starrte Ken auf die zuckende Masse, bis Santinos Schrei ihn aus seiner Betäubung riss.
    »Ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen!«
    Der Sturm hatte zwar eine verheerende Schneise in den Angriff geschlagen, doch für jeden Spalthund, der auf der Strecke blieb, schienen zwei neue über die Brüstung zu drängen. Santinos Wangenmuskeln waren verkrampft, die Muskeln an Hals und Kinn zum Zerreißen gespannt. Er schleuderte mehr und mehr von seinen Tornados, doch sie verloren an Kraft.
    Ken griff einen weiteren Kiesel und warf ihn in eine Gruppe von Hunden, die durch ein Loch in der Brüstung sprangen. Seine Panik wich einer Art betäubter Konzentration, als säße er in einem Glaszylinder, der ihn von allen Gerüchen und Geräuschen abschnitt. Er dachte an Feuer und an die Kugeln, die er mit Santino geübt hatte. Große Kugeln. Riesige Kugeln. Kugeln wie Feuerräder, mit meterlangen Flammen.
    Der Kiesel verwandelte sich in Lava und schwoll an. Als er in die Hunde krachte, war er zur Größe eines Kinderkopfes angewachsen. Die Bestien verschwanden in einer Wolke aus schwarzem Rauch und panischem Jaulen. Der Lavaball zersprang in fünf kleinere Scherben. Sie rollten übers Gras, hinein in die nachdrängenden Tiere, und wuchsen dabei weiter. Ungekannte Euphorie stieg Ken zu Kopf und machte ihn schwindlig. Er fühlte sich, als könne er die Welt aus den Angeln heben. Die Geschosse blähten sich zu Feuerrädern, groß wie Heufuder, die alles

Weitere Kostenlose Bücher