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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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hinterher.
    Die Devora tobte und fetzte große Stücke aus dem Gewebe. Risse knisterten. Coinneachs und Kens Blicke trafen sich. Die amethystfarbenen Augen leuchteten in schmerzlicher Erkenntnis, und Ken öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ein Stoß traf ihn in den Rücken und warf ihn nach vorn. Kälte drang durch seine Kleider, kroch eisig wie Quecksilber über seine Haut. Er ließ sich fallen.
    Dunkel verschlang ihn. Trübes Licht.
    Hart landete er auf der Hüfte, die er sich zuvor beim Absturz der Festung angeschlagen hatte. Er stöhnte vor Schmerz, er blinzelte. Jemand packte ihn und half ihm auf.
    Über ihm ragte ein Steintor auf, die Felsen waren moosbewachsen. Die Luft zwischen den Dolmen schimmerte. Santino tauchte auf und stürzte auf ein Knie. Einen Herzschlag lang fürchtete Ken, dass der Magier Coinneach die Passage verwehrt hatte.
    Doch dann glitt auch der blonde Fayeí hindurch, das blanke Schwert in der Faust. Hinter ihm schoss eine Pranke durch den Schleier und riss ihm den Rücken auf. Ein Schrei löste sich von seinen blassen Lippen. Marielle hob eine Handvoll Sand auf und schleuderte sie ins Funkeln. Sie murmelte etwas, sie gestikulierte.
    Das Funkeln erlosch. Das Kreischen der Verschlingerin riss so abrupt ab, dass Ken kurz fürchtete, sein Gehör hätte ihn im Stich gelassen.
    Schwindlig vor Schrecken starrte er auf die Tatze, die säuberlich abgetrennt über den Kiesstrand rollte. Vier Klauen ragten aus der Haut. Jede war so dick wie drei Finger und lang wie ein Sichelmesser.
    Ein Nest winziger Risse knisterte um die Spitze einer Kralle. Grünlich schimmerte es, knackte und spuckte.
    Zitterte.
    Und erlosch.

12
    »Ist das der Kerl, von dem du glaubst, dass er dein Vater ist?«, fragte Santino.
    Ken blickte zu Coinneach, der sich zu Boden hatte sinken lassen und nach seiner Wunde tastete.
    »Ja genau.« Hilfe suchend drehte er sich zum Buchstabensammler um.
    Umo nickte nur, ohne etwas zu sagen. Der Alte sah wütend aus. Kein Wunder. Er hatte all seine Habseligkeiten zurücklassen müssen.
    Nur allmählich wurde es Ken klar, dass sie es geschafft hatten. Sie waren lebend durchs Tor entkommen, und nicht in der Höhle eines blutrünstigen Dämons gelandet. Marielle hatte das Portal geschlossen, bevor die Devora ihnen folgte. Nun standen sie alle am Ufer des Sees, der in der Ferne gegen eine riesige Mauer schwappte. Es war kühl und regnerisch, der Himmel mit grauen Wolken bedeckt. Einem steinernen Lindwurm gleich, zog sich das Bauwerk auf beiden Seiten in die angrenzenden Berge und verschwand zwischen den Gipfeln. Geröll und Steinchen knirschten unter ihren Füßen. Drei weitere Steintore säumten das Ufer, die dem glichen, durch das sie gekommen waren.
    »Ich bin Coinneach ap Morda, erstgeborener Sohn von Diarmudh, dem Herrn der Tuatha Avalâín und seiner Königin Maebh.« Der Fayeí legte eine blutverschmierte Hand auf die Brust und deutete eine Verbeugung an. Obwohl er barfuß zwischen Bachkieseln saß, entbehrte die Geste nicht einer gewissen Eleganz. Die melancholische Traumseligkeit war aus seiner Stim-me verschwunden. Selbst seine Gesichtszüge wirkten schärfer geschnitten als zuvor, als hätte jemand eine Milchglasscheibe fortgenommen.
    »Aber natürlich bist du das«, murrte Umo. »Wer solltest du wohl sonst sein?«
    »Interessant.« Santino hob eine Braue. »
Die
Tuatha Avalâín, Licht-Fayeí von den Ufern des Nebelsees?«
    Coinneach nickte knapp.
    »Wie kommt es, dass Aedan die Krone trägt, wenn du der Erstgeborene bist?«
    »Maebh«, knurrte der Fayeí. Nur dieses eine Wort.
    »Ich unterbreche nur ungern Familienanekdoten, aber vielleicht sollten wir zuerst herausfinden, was das hier für ein Ort ist.« Der Buchstabensammler schlug mit der flachen Hand gegen den Torpfeiler. »Und wie wir in vertrautere Gefilde kommen.«
    »Stondeth nu on laste leofre duguthe«
, sagte Coinneach. »
Weal wundrum heah Wyrmlicum fah

    »Stand auf dem Zettel«, erklärte Marielle.
    »Erhebt sie sich nun, im Rücken der geliebten Schar, eine gewaltige Mauer, befleckt von den Gebeinen der Drachen.«
Coinneach rammte sein Schwert in den Boden und zog sich daran hoch, einen gequälten Ausdruck auf dem Gesicht. »Wir stehen im Ddraighen-Tal. Hier lebten einst Nebel-Fayeí.« Sein Blick streifte Marielle. »Níval ist nicht der einzige Ort, an dem Sarrakhans Kinder ihre Spuren hinterlassen haben. Seht ihr die Apfelbäume dort hinten?« Er deutete zu einem Hügel, der mit kurzem, graubraunem Gras

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