Purpurdämmern (German Edition)
Kopf ging.
»Ich hätte es wissen müssen«, sagte der Alte. »Da hängen sie genau vor meiner Nase, und ich bin so blind wie eine verfluchte Wollnatter. Ich werde wohl allmählich senil.«
»Nein wirst du nicht. Wie hättest du darauf kommen sollen?«
»Meine Instinkte lassen mich im Stich.«
»Das tun meine dann wohl auch«, gab Santino säuerlich zurück. »Irgendwo in Níval wuchert das gleiche Verhängnis, und glaubst du, ich hätte etwas gespürt?«
Umo zertrat die Blüte, so wie er es zuvor mit der anderen getan hatte. Mit einem hässlichen Geräusch zerplatzten die Blätter.
»Ken?«, hörte er den Magier von oben rufen. »Marielle? Sucht eure Sachen zusammen, in zwei Stunden verschwinden wir von hier! Und sammelt die Purpurkätzchen ein. Sie springen im halben Gebäude herum!«
Ken betastete die harte, runde Stelle an seinem Handgelenk. Sie hatte die Größe einer Hundemarke und sah aus wie ein geschliffenes Opalplättchen. Das Ding verunsicherte ihn. Vor allem aber ärgerte er sich, wie lapidar und geschäftsmäßig Marielle ihn um die Verlobung gebeten hatte. Als ginge es darum, Schmiere beim Autoklau zu stehen, oder Kleingeld für ein Eis zu schnorren. Merkte sie eigentlich, wie sie auf den Gefühlen anderer herumtrampelte?
Er kam sich vor wie jemand, der sich zu Weihnachten ein Fahrrad gewünscht hatte und am Weihnachtsabend stattdessen einen Ferrari auf dem Hof vorfand. Dem beim Öffnen der Tür ein Zettel entgegenflatterte, auf dem stand, dass der Wagen nur für ein paar Tage hier geparkt sei und er es nicht wagen solle, ihn anzufassen. Der aber zwei Minuten später blöd angemacht wurde, wieso zum Teufel er sich nicht freue.
Verdammter Mist.
Vor einer Stunde hatte er sich noch eine großartige gemeinsame Zeit mit Marielle ausgemalt und von einer gemeinsamen Zukunft geträumt, die über diese verrückte Schatten-Welt hinausreichte. Nicht, dass er ihr gleich einen Antrag machen wollte. Aber dass sie jetzt so tat, als hätte eine Verlobung nichts zu bedeuten, verletzte ihn. Er verstand ja ihre Notlage, aber musste sie deshalb gleich so tun, als käme etwas Ernstes zwischen ihnen sowieso nie infrage?
Natürlich hatte auch er sich den Kopf zerbrochen, wie er ihr helfen konnte, der Zwangsehe mit diesem Newan zu entkommen. Es stimmte, er hasste den Kerl jetzt schon, ohne ihn überhaupt gesehen zu haben. Aber er hatte eher daran gedacht, romantisch miteinander wegzulaufen.
Jetzt fühlte er sich wie gelähmt und wusste nicht, was er ihr sagen sollte. Bei aller Belanglosigkeit, die sie dem Ritual zu geben versuchte, sickerte allmählich der Schock in ihn ein, dass sie jetzt seine Verlobte war. Zumindest nach den Regeln ihres Volkes. Verdammte Axt, worauf hatte er sich eingelassen? Und dieses Ding auf seinem Handgelenk, was hatte es damit auf sich? Schoss es ihm Blitze durch den Arm, wenn er ein anderes Mädchen ansah? Konnten sie sich damit gegenseitig aufspüren, oder sich Nachrichten schicken? Er stöhnte, was ihm einen scharfen Blick von Marielle eintrug. Was er am allerwenigsten verstand, war, wieso sie sich plötzlich so abweisend benahm. Er hatte doch alles gemacht, was sie wollte. Warum tat sie dann, als hätte er Smilies in ihr T-Shirt geschnitten oder ihrer Katze Tintenpunkte aufs Fell gemalt?
Marielle fasste nach seinem Arm und betrachtete das Mal. »Umo hat recht. Wenn du kein Fayeí-Blut in dir hättest, wäre deine Haut nicht kristallisiert.«
»Also heißt das, Coinneach ist mein Vater?«
»Oder irgendein anderer Fayeí.«
»Jetzt mach es nicht noch komplizierter.« Er atmete ihren Duft ein. »Hör mal, habe ich was falsch gemacht?«
»Außer, dass du dich wie ein Idiot benimmst?«
»Wieso? Ich habe getan, was du wolltest!«
»Ja, aber
wie
du es getan hast.« Ihre Lippen zitterten ein wenig. »Als wenn es das Widerwärtigste auf der ganzen Welt wäre.«
»Ich habe … was? Du hast mich total überfahren, was sollte ich denn machen? Mich freuen?!«
»Ja«, giftete sie ihn an. »Das wäre nett gewesen!«
Und da wurde ihm das ganze Ausmaß des Dilemmas klar. Er fasste nach ihren Schultern. »Komm her.«
Sie starrte ihn nur an.
»Jetzt komm.« Er seufzte. »Du brichst dir keinen Zacken aus der Krone. Wenn du zugibst, dass du mich magst, gebe ich es auch zu. Also, dass ich dich mag.«
Zögerlich ließ sie sich in seine Umarmung ziehen und vergrub ihren Kopf an seiner Halsbeuge.
»Ich hab’s verdorben«, murmelte er an ihrem Haar. »Tut mir leid. Aber du hast dich auch nicht
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