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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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werde es überleben.«
    Quälend langsam schleppten sie sich aus der Zelle. Nach ein paar Schritten gewannen die Bewegungen des Magiers an Sicherheit. Er taumelte noch und stützte sich auf ihre Schulter, doch nicht mehr so schwer wie zuvor. Durch die lang gezogene Halle und den Korridor mit dem Orichalcum-Gitter rannten sie fast schon.
    Sie erreichten den Fuß der endlosen Wendeltreppe ohne Zwischenfall. Santino blieb stehen, vornübergebeugt, die Hände auf die Knie gestützt und keuchte. Nessa drehte sich einmal im Kreis.
Nicht stehen bleiben! Wir sind noch nicht in Sicherheit.
    »Müssen wir die ganze Treppe wieder hoch?«, fragte Marielle.
    Die gute Nachricht ist, dass die Wände weiter oben nicht mit Orichalcum versetzt sind.
    »Dann weiter.« Der Magier richtete sich auf. »Sonst werden wir nicht einmal die erste Begegnung mit einer Patrouille überleben.«
    Er übernahm die Führung, obwohl er mit einer Hand das Eisengeländer umklammern und sich beim Treppensteigen abstützen musste. Nessa hangelte sich mit drei Sprüngen wieder auf Marielles Schulter. Marielle schnaubte nur. Die Purpurkatze schmiegte sich lieb an ihren Hals, als könnte das ihr Gewicht halbieren.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte Santino, ohne innezuhalten.
    »Ich gar nicht. Nessa.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Ewige Dankbarkeit wäre ein Anfang.
    Er machte ein undefinierbares Geräusch.
    Das war dann ein Ja?
    Die Muskeln in Marielles Beinen schmerzten. Ihre feuchten Haare verwandelten sich in der Kälte hier unten zu einem unangenehmen Berg Eisspaghetti auf ihrem Kopf. Und Santino sah schrecklich aus, sogar wenn sie ihn nur von hinten sah. Zum Glück wusste er nicht, dass er ausgerechnet ihr die Tortur zu verdanken hatte. Sie schwor sich lautlos, die nächsten zehn Jahre ihres Lebens nur noch Gutes zu tun und Magister Féach nie mehr zu widersprechen. Ihr schlechtes Gewissen brachte sie fast um. Sie überlegte, ob sie Santino noch ein lebenslanges Anrecht einräumen sollte, sie zu maßregeln, wann immer er Lust dazu hatte. O Sarrakhan, es tat ihr so leid. Sie musste wirklich damit anfangen, nachzudenken, bevor ihre Gefühle mit ihr durchgingen.
    »Wo wollen wir überhaupt hin?«, fragte Santino.
    »Ken und sein Vater sind in großer Gefahr.«
    »Ich weiß«, knurrte er. »Maebh hat ihre Häscher geschickt.«
    »Und ich habe ihnen das Tor geöffnet«, seufzte Marielle. »Sie haben mich ausgetrickst.«
    »Dann können wir nur hoffen, dass sie eine Weile brauchen, um die beiden zu finden. Detroit ist groß.«
    Sie hatten beinahe das Ende der Treppe erreicht. Die Geschwindigkeit, mit der Santino sich erholte, war unheimlich. Es schien wirklich mit dem Orichalcum zu tun zu haben. Je weiter die mit dem Metall durchsetzten Wände hinter ihnen zurückblieben, desto sicherer wurden seine Schritte. Auf der obersten Stufe stoppte er und setzte sich hin.
    »Warte.« Er ballte die Hand mit dem Armreif zu einer Faust. Blutfäden mäanderten über seinen Unterarm. Das Shirt über seiner Schulter war zerrissen und offenbarte eine zweite Wunde, die sie gar nicht so genau sehen wollte. Er senkte den Kopf und schloss die Lider. Ein Zittern lief durch seine Glieder. Seine Faust verkrampfte sich so sehr, dass die Knöchel weiß hervortraten. Keuchend stieß er den Atem aus.
    Als er die Augen wieder aufschlug, glänzten sie fiebrig. Das Blut war ihm aus dem Gesicht gewichen und ließ seine Haut wächsern erscheinen.
    »Ich hasse das«, murmelte er. »Heilmagie ist überhaupt nicht meine Stärke.«
    »Bist du okay?«, fragte Marielle mit einem bangen Gefühl im Magen.
    »Das werden wir herausfinden«, er streckte die Arme aus und bewegte die Finger, »wenn wir auf die Wachen treffen.«

    »Hey, Mom!«, wisperte Ken.
    Auf Zehenspitzen schlich er den Korridor hinunter und spähte in die Küche. Nebenan lief der Fernseher. Die Couch stand mit dem Rücken zum Durchgang. Randall lümmelte in den Polstern und schaute Baseball. Vom Bildschirm zuckte farbiges Licht über die Konturen seiner Schultern und seines Bullenschädels. Teller stapelten sich im Abwasch. Die Spülmaschine hustete und rumpelte. Die Zeiger der alten Küchenuhr standen auf Viertel vor zwölf.
    Ken zog sich zurück und tastete sich die Treppe hinauf, sorgfältig darum bemüht, die knarrenden Stufen nicht zu belasten.
    Die Tür zu Martys Zimmer war zugeklinkt. Daneben befand sich eine winzige fensterlose Kammer, Moms Nähzimmer. Er wollte das Flurlicht nicht einschalten, um

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