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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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behaarten. Die mit den weißen Punkten.
    »So genau wollte ich es gar nicht wissen.« Sie stieß gegen eine Reihe glatt polierter Erhebungen. Konzentrische Kreise. »Ich hab’s.«
    Drück das Zentrum nach innen, aber pass auf, dass du die Ränder nicht berührst.
    Es ging leicht. Auf der anderen Seite rumpelten Zahnräder. Ein Windzug traf sie im Gesicht, muffige Feuchtigkeit.
    »Gibt es hier Licht?«
    Gleich.
    Sie spürte das Fell der Purpurkatze an ihren Knöcheln. Zwei Sekunden später glomm ein breiter Spalt vor ihr auf. Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass es der dahinterliegende Raum war, der da leuchtete.
    Der Spalt war gerade breit genug, dass sie sich hindurchquetschen konnte. Auf der anderen Seite begann ein niedriger Korridor. Vor den Wänden schwebten Leuchtkugeln wie die in den unterirdischen Kanälen. Ihr gold- und rosafarbenes Licht tauchte die Mauern in einen weichen Schimmer.
    »Was ist das für ein Gang?«, flüsterte sie.
    Der Tunnel, über den die Gefangenen ihr Essen bekommen. Oder durch den die Leichen entsorgt werden, je nachdem.
    »Die Leichen?« Das wurde ja immer besser. Gehörte das vielleicht auch zu den Geheimnissen des Tíraphal, die ihr Vater erwähnt hatte? Bis vor Kurzem hatte sie nicht einmal gewusst, dass der Palast über Kerkerzellen verfügte. Geschweige denn, dass sie jemals eine zu Gesicht bekommen würde. Die Totenstille hier unten ließ jeden ihrer Schritte wie Gewittergrollen hallen.
    Vorsicht, die Stufen sind glitschig.
    Vor ihr fiel der Korridor zu einer steilen Wendeltreppe ab, die sich tief in die Eingeweide des Tíraphal schraubte. Sie stieg so lange abwärts, bis ihr die Knie wehtaten und ihr schwindlig wurde.
    »Und diesen Weg legen die Küchendiener jedes Mal zurück, wenn sie den Gefangenen Essen bringen?«, fragte sie ungläubig.
    Es gibt auch ein Tor.
    »Warum nehmen wir nicht das?«
    Weil wir den Schlüssel nicht haben.
    Die Stufen mündeten in einen weiteren Gang, der den Beginn eines gigantischen, weit verzweigten Labyrinths markierte. Oder zumindest kam es Marielle so vor. Nessa schien sich auszukennen, denn sie folgte den Abzweigungen, ohne zu zögern. Das einzig Seltsame war, dass sie keiner Menschenseele begegneten. »Wo sind alle?«
    Die alten Gewölbe werden kaum noch benutzt. Die meiste Zeit laufen hier nur Mäuse herum.
    »Und warum wird Santino dann hier festgehalten?«
    Deshalb.
Nessa tupfte mit dem Schwanz gegen die Wand.
    Erst jetzt fiel Marielle auf, dass der Stein mit winzigen, glänzenden Splittern durchsetzt war. Je weiter sie vordrangen, desto größer wurden die Flecken. Vor ihnen ragte von der Decke bis zum Boden ein reich verziertes Gitter auf, die Ornamente altertümlich und auf eine Weise geformt, die Marielle beim Betrachten den Magen umdrehte. Der Türflügel in der Mitte stand ein Stück offen. Die Gitterstäbe glänzten rötlich.
    Orichalcum. Verhindert das Wirken von Magie. Dieses Gefängnis wurde erbaut, um selbst den stärksten Magier seiner Kräfte zu berauben. Rate, warum.
    »Aber Santinos Armreif ist aus dem gleichen Metall.«
    Der Armreif wurde von einem Meister erschaffen, und der wusste, wie man die Wirkung des Elements umkehren kann.
    Noch immer schwebten die Leuchtkugeln vor den Wänden, doch jetzt glommen sie schwächer und hingen weiter voneinander entfernt.
    Still!
Der Befehl schoss wie eine Schockwelle durch Marielles Geist. Sie erschrak so sehr, dass sie sogar den Atem anhielt. Die Purpurkatze zu ihren Füßen erstarrte zu einem leblosen Sofakissen. Nur die Fellspitzen zitterten in bernsteinfarbenen Wellen. Nach ein paar Herzschlägen sank das Licht auf einen kaum wahrnehmbaren Dämmerschein herab. Ah, die reagierten auf Bewegung, so wie die Leuchtstäubchen im Heim des Buchstabensammlers. Das jetzt vermutlich ein Schrotthaufen war oder von der Devora verdaut wurde. Ihr war beim Gedanken daran untröstlich zumute.
    Eine Zeit lang geschah überhaupt nichts. Dann flammten die Kugeln in einiger Ferne auf. Mit etwas Verzögerung hörte sie auch Schritte. Ein leises Quietschen. Dann wieder Stille.
    Es vergingen noch einmal Minuten, bevor Nessa sich schüttelte.
Die Luft ist rein.
    Sie betraten ein lang gezogenes Gewölbe, dessen Wände gänzlich mit Orichalcum-Ornamenten überzogen waren. Selbst die Steinfliesen am Boden waren mit Einlegearbeiten aus dem funkelnden Metall versehen. Es sah wunderschön aus, wie das Licht sich auf den Mustern brach, doch die Ketten, die überall an den Säulen verankert waren,

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