Purpurdämmern (German Edition)
zu Fall. Randalls Fuß traf ihn an der Schläfe. Der Hieb machte ihn für einen Moment benommen. Mit einem schrecklichen Geräusch flog der Säufer über ihn hinweg, die Treppe hinunter. Er rappelte sich wieder auf und taumelte die letzten zwei Stufen zum Flur.
»Du bist tot«, brüllte er. »Ich mach dich fertig!«
Genau wie Doggie, bevor er mit dem Messer auf ihn losgegangen war.
Randall torkelte ins Wohnzimmer. Er blieb mit der Schulter am Rahmen hängen, fluchte und versetzte der Tür einen Tritt.
Die Schrotflinte.
Mist.
Ken taumelte auf die Füße und rannte ihm nach. Seine Schläfen glühten. Seine Kehle war trocken vor Entsetzen. Er schlitterte durch die Wohnzimmertür in dem Moment, da Randall die Waffe aus dem Schrank nahm. Es stank nach Schweiß und verschüttetem Bier.
Er hetzte quer durch den Raum, stieß gegen das Sofa und hechtete auf den Alten zu, als Randall sich umdrehte. Er bekam den Lauf zu packen. Sie rangen miteinander. Randall war stark wie ein Ochse, aber der Alkohol machte ihn langsam und ungeschickt. Ken trat ihm gegen das Bein, knapp unterhalb des Knies. So wie es Santino mit ihm getan hatte, um ihm zu demonstrieren, wie leicht ein Feind ihn zu Fall bringen konnte, wenn er nicht aufpasste.
Randall schwankte. Ken riss am Lauf und stieß ihn in Randalls Gesicht. Der Säufer heulte auf und fiel. Ken entwand ihm die Waffe, wich rücklings in den Flur zurück und griff nach dem Telefon. Mit fliegenden Fingern wählte er 911 . Eine Automatenstimme begrüßte ihn, es klickte. Dann meldete sich eine Frau am Telefon.
»Ist das die Polizei?«, keuchte er.
»Detroit Police Department«, wiederholte sie. »Wie heißen Sie bitte, und wo sind Sie?«
»Ken O’Neill.« Er fixierte Randall, der hustend und keuchend auf die Füße kam. »Dalzelle Street. Mein Vater hat meinen kleinen Bruder verprügelt und mich mit dem Gewehr bedroht.« Er klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr und legte die Schrotflinte auf Randall an. »Schicken Sie jemanden. Schnell!«
Die Augen weit aufgerissen, blieb der Säufer stehen.
Ein Fieber brannte in Marielles Adern, als sie aus dem verfallenen Eingang des Depots hinaus ins Freie traten. Ein Glühen, das sich aus Angst und Aufregung und der Anspannung der letzten Stunden befeuerte.
Sie eilten die Stufen hinunter über schlammiges, platt getretenes Gras. Der Mond goss kaltes Licht über der Wiese aus. In der Ferne glosten die Hochhaustürme der großen Stadt. Unwillkürlich suchte sie nach der Narbe am Himmel, doch das Firmament dieser Welt war unversehrt. Santino lief so dicht neben ihr, dass ihre Arme sich fast berührten. Er trug ein Schwert über dem Rücken, das er einem von Ceallacháins Gardisten abgenommen hatte.
Der Rückweg in ihre Gemächer hatte sich leichter bewerkstelligen lassen als gedacht. Den meisten Zusammenstößen hatten sie ausweichen können. Die Angreifer hatten sich in Kämpfe mit der königlichen Garde verstrickt. Kaum jemand kümmerte sich um einen Mann und ein Mädchen in abgerissenen Kleidern, selbst wenn diesem Mädchen eine Purpurkatze nachschlich. Nur die Wachen vor ihrer Tür hatte Santino niedermachen müssen.
»Kennst du dich hier aus?«, fragte der Magier.
»Nicht wirklich.«
Vor ihnen begrenzte eine schmale Straße die Wiese. Auf der gegenüberliegenden Seite säumten Wohnhäuser den Asphalt, die Fenster hell erleuchtet hinter den kahlen Baumkronen.
»Wenn wir Maebhs Assassinen wären, wohin würden wir gehen? Sie können nicht wissen, wo Ken wohnt.«
»Wir aber auch nicht.«
»Es muss in der Nähe sein.« Santino machte eine weit ausgreifende Armbewegung. »Eins von diesen Häusern.«
»Das wissen aber nur wir.«
»Genau. Also werden sie ihre Suche an einem Ort beginnen, den sie kennen. Den Maebh kennt. Der Apfelhain.«
Es war kühl in Detroit-im-Kern. Viel ungemütlicher als in der Dämmerschattenwelt. Wind fuhr durch die knotigen schwarzen Äste und trieb ihnen Sprühregen ins Gesicht. Ein Auto näherte sich mit gleißend hellen Scheinwerfern und schleuderte Wasser aus einer Pfütze auf. Eine ferne Polizeisirene heulte in die Nacht.
Sie liefen ein Stück die Straße hinunter und schlüpften durch eine Lücke im Mäuerchen in den verwilderten Garten auf der anderen Seite.
»Eines interessiert mich brennend«, sagte Santino. »Ist es wahr, dass ich dir das Intermezzo im Kerker zu verdanken habe?«
Seine Worte fielen in ihren Geist wie Gluttropfen und brannten schwarze Flecken hinein. Ihr Mund wurde
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