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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sprachen eine andere Sprache. Auf einem Tisch standen Öllampen, daneben lag ein Feuerzeug.
    Leise jetzt.
Nessa blickte zu ihr hoch.
Auf der anderen Seite gibt es Wachen.
    »Wo ist Santino?«, flüsterte Marielle.
    Irgendwo hier unten. Du suchst auf dieser Seite, ich dort drüben.
    Es zweigten ein Dutzend Quergänge vom Gewölbe ab, und jeder grub sich gut zwanzig Schritte tief in den Fels. Hinter den Orichalcum-Gittern schälten sich Gefangenenzellen aus dem Dunkel. Einige waren so groß, dass sie zwanzig oder mehr Menschen fassten, die meisten aber so winzig, dass es bereits einer Folter gleichkam, in diesen Löchern länger als eine Stunde auszuharren.
    Ein erdiger Geruch hing in der Luft, uralter Staub und verrottetes Leder. Die meisten Türen standen offen. In einigen Zellen lagen Haufen von undefinierbarer Konsistenz auf dem Boden. Marielle schaute schnell weg, um nicht einen Blick auf etwas zu erhaschen, das ihr Albträume bescheren würde.
    Sie hatte eines der Öllichter entzündet und trug die Laterne am ausgestreckten Arm vor sich her. Die magischen Leuchtkugeln funktionierten nicht in den Zellengängen. Das Flackern der Flamme ließ die antiken Kasematten noch unheimlicher erscheinen, weil sie nie wusste, ob es das Licht war, das über die Felsschrunden tanzte, oder nicht doch eine große, behaarte Spinne.
    Santinos Zelle lag so tief versenkt im Fels, dass sie zuerst daran vorbeilief.
    Ein Geräusch ließ sie die Lampe heben. Das Licht leckte über Gitterstäbe und silbrig glänzende Ornamentbänder, die rundum in den Fels gelassen waren. Die Tür war verschlossen. Das Schloss sah allerdings nicht sehr kompliziert aus. Seit Magister Féach sie vor Jahren dabei erwischt hatte, wie sie seinen Schrank mit den silbergebundenen alten Folianten mit einer Haarnadel öffnete, war sie vorsichtiger damit geworden, ihre Fingerfertigkeit zu erproben. Doch das bedeutete nicht, dass sie aus der Übung war.
    Sie schob ihre Hand mitsamt der Laterne zwischen den Stäben hindurch und leuchtete ins Innere. An der Wand hing ein menschlicher Körper, die Arme über dem Kopf gefesselt, die Knie halb eingeknickt, als hätte er den Halt verloren. »Seid Ihr das, Felím? Habt Ihr etwas vergessen?«
    Sie schrak so sehr zusammen, dass sie fast die Lampe fallen ließ. Santinos Stimme klang schrecklich. Schleppend und jedes Wort unterbrochen von rasselndem Atem und dabei so rau wie brüchiges Eis.
    »Ich bin es«, wisperte sie. »Marielle.«
    »Sarrakhans behaarte Ei… Einweckgläser.« Er regte sich. Metallglieder klirrten gegeneinander.
    »Es tut mir leid«, brach es aus ihr heraus. »Es tut mir leid, das wollte ich nicht, ich schwöre, das habe ich nicht gewusst.«
    »Was?«
    »Ich hole dich hier raus«, stotterte sie. »Du musst mir helfen, wir müssen unbedingt nach Detroit in den Kern und Ken und seinen Vater finden, bevor es zu spät ist und sie …« Ihre Stimme erstickte. Sie blinzelte, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
    Der Magier hustete. »Ich weiß nicht, ob ich dir eine große Hilfe sein kann.«
    »Ich hole dich raus.« Hastig stellte sie die Laterne auf den Boden und fummelte eine Nadel aus ihren Locken. Die Zellen mochten mächtige Magie im Zaum halten, aber dem billigsten Spitzbubentrick hatten sie nichts entgegenzusetzen. Es kostete sie nur ein paar Sekunden, und der Schließbolzen glitt zurück. Sie zog die Tür auf. »Okay, jetzt nur noch die Ketten.«
    »Beeil dich.« Er drehte halb den Kopf. »Felím hat dafür gesorgt, dass die Wachen uns nicht stören, aber irgendwann werden sie zurückkommen.«
    Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um die Handfesseln zu erreichen. Blind tastete sie über das Metall. Sie fand die Schlüsselöffnung, doch erreichte sie nicht mit der Haarnadel. Heftig ruckte sie daran. Die Manschette rutschte. Santino erstickte einen Schrei.
    »Was ist?«, fragte sie entsetzt.
    »Mach … einfach weiter«, keuchte er.
    Sie brauchte drei Anläufe, aber dann verhakte sich die Nadel endlich in einer kleinen Metallnase. Etwas bewegte sich. Ein Ruck, die Klammer klappte auf in zwei Hälften. Die zweite ging leichter. Als die Fessel sich löste, stürzte der Magier auf die Knie.
    Da hinten kommt jemand,
echote Nessa in ihrem Kopf.
Wir sollten verschwinden.
    Sie packte Santinos Arm und zog ihn auf die Beine. Ihre Finger fassten in warme Feuchtigkeit. Er war schwer, doch schließlich fing er sich und hielt sich aus eigener Kraft.
    »Bist du verletzt?«
    Er zog eine Grimasse. »Ich

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