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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Erleichtert schlüpfte er zurück ins Haus. Das Flurlicht flammte auf und blendete ihn für einen Moment.
    »Claire!«, brüllte Randall. Die Decke ächzte unter seinen Schritten. Er wütete oben. Oh Mann.
    Ken biss die Zähne aufeinander, bis seine Wangenmuskeln sich verkrampften. Er war nicht scharf darauf, mit dem Säufer aneinanderzugeraten. Es gab einen Grund, dass er den Großteil seiner freien Zeit im Depot verbrachte. Der scharfe Geschmack der Angst kitzelte seine Zunge. Er dachte an Doggie, bei dem er seine Furcht überwunden hatte. Dad war lange nicht so gefährlich wie Doggie. Der würde kaum mit dem Messer auf ihn losgehen. Wobei … sicher konnte man bei ihm nie sein.
    Alles in ihm drängte ihn, sich davonzuschleichen, bevor Dad überhaupt auffiel, dass er dagewesen war. Noch ein Poltern. Eine Tür flog auf und krachte gegen die Wand. Ersticktes Murmeln, Martys helle Stimme. »Hau ab, lass mich in Ruhe.«
    »Claire!«, röhrte Randall. »Komm raus, oder ich breche dem kleinen Scheißer den Arm!«
    Marty schrie wie am Spieß.
    Wut unterspülte die Angst in Kens Kehle und löste ihren erstickenden Griff. Hatte er es nicht satt, ein Feigling zu sein? Wollte er nicht aufhören, sich zu ducken und sich unsichtbar zu machen wie all die anderen Feiglinge?
    »Hey Dad!« Er schwang sich um den Pfosten herum und rannte die Treppe hoch. »Mom ist nicht da!«
    Randall tauchte aus dem Kinderzimmer auf, ein wütender Bulle, die Augen blutunterlaufen. »Was machst du hier?«
    Hinter ihm plärrte Marty los, dass es durchs ganze Haus hallte.
    »Ich wohne hier«, stieß Ken hervor.
    »Und noch frech werden, was?« Gewohnheitsmäßig holte Randall aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
    Ken duckte sich weg und wich zurück.
    Der Schlag ging ins Leere.
    »Ich dachte, die Bullen haben dich mitgenommen?«, tönte Randall. »Hast du deinen Bruder verraten, damit sie dich wieder rauslassen?«
    Die Wut gewann an Schwere, ein kalter schwarzer See. Hatte er wirklich neunzehn Jahre lang stillgehalten? Sie alle, hatten sie sich das so viele Jahre bieten lassen? Ein besoffenes Schwein, das eine ganze Familie terrorisierte, und sie hatten sich Jahrzehnte vor seinen Pranken geduckt und gehofft, sein Blick möge auf einen anderen fallen?
    »Er ist nicht mehr mein Bruder.« Erzwungen ruhig formte Ken die Worte. »Und du bist nicht mehr mein Vater. Ich bin fertig mit euch. Wenn ihr euch sehen könntet, ihr seid Parasiten. Erbärmlich, wirklich! Mom hat einen Orden verdient, dass sie euch nicht längst rausgeschmissen hat.«
    Wäre er nicht so angespannt gewesen, der Ausdruck auf Dads Gesicht hätte ihn zum Lachen gereizt. Die Augen, die sich weiteten, die fleischigen Lippen, die vor Fassungslosigkeit bebten. Er konnte sehen, wie die Rädchen in dem alkoholvernebelten Gehirn ineinandergriffen und Randall versicherten, dass er das wirklich gehört hatte.
    Mit einem Schrei stürmte der Säufer auf ihn los, die Fäuste erhoben. Ken sprang im letzten Moment beiseite, fasste nach Randalls Arm und versuchte den gleichen Trick wie bei Doggie. Er langte ins Gewebe, doch dieses Mal war es wirklich, als rammte er die gestreckten Finger gegen eine Stahlplatte. Nichts geschah, bis auf den Schmerz, der seine Nervenenden versengte. Nun schoss doch Panik in ihm hoch. Randall fuhr herum und lallte ihm einen Schwall Drohungen entgegen. Marty heulte ins Tohuwabohu hinein.
    Ken stolperte zurück, bis er die oberste Treppenstufe unter seiner Schuhsohle spürte. Er umklammerte das Geländer.
    »Nicht, Dad«, sagte er mit tonloser Stimme. »Hör auf. Sonst zeige ich dich an. Wegen Kindesmisshandlung.«
    »An der Kröte? Das wagst du nicht.«
    »Doch, das würde ich.« Er straffte die Schultern und wich Randalls Blick nicht aus wie sonst. Er starrte ihm in die tückischen schwarzen Augen, ohne zu zucken. »Sieh mich an. Das würde ich, und du weißt es.«
    Randall spuckte auf Moms glatt polierten Holzboden. »Du Drecksack, warte, bis Pat wieder da ist.«
    »Pat kommt aber nicht zurück.«
    »Was redest du da?«
    »Pat hat eine Mordanklage am Hals«, brach es aus Ken heraus. »Und weißt du was, ich glaube, er ist es auch gewesen. Sie werden es ihm beweisen. Die sind wirklich scharf darauf, ihn wegzuschließen.«
    Die schwarzen Augen weiteten sich, wie sie es Tausende Male zuvor getan hatten. Ken ließ sich auf die Knie fallen, als Randall auf ihn losstürzte. Er warf sich ihm entgegen und umklammerte seine Beine. Während sie ineinanderkrachten, brachte er ihn

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