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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Marielle.
    Insubordiwas??
    »Unterwanderung der rechtmäßigen Ordnung.«
    Hä?
    »Geringschätzung Seiner königlichen Majestät. Frag mal Amalia zu dem Thema.«
    Zum Glück konzentrierte die Gouvernante sich auf den Prinzen und fixierte sie nicht länger mit ihren durchdringenden Obsidianaugen. König Eoghan hatte sie angeheuert, um seiner Tochter Marielle den Schliff beizubringen, den er für eine Thronerbin für angemessen hielt. Schliff – dass sie nicht lachte! Wahrscheinlich hatte Newan auch so eine Amalia. Deshalb saß er auch aufrecht wie mit einem Stock im Hintern und konnte kaum atmen vor lauter Schliff.
    Dies war die vierte Audienz mit Newan und seinen Hofschranzen in nur drei Tagen. Wenn ihr Vater sich einbildete, sie würde dieses Hamstergesicht heiraten, hatte er sich allerdings getäuscht. Zum Glück verbot das Protokoll Vertraulichkeiten bei den Empfängen. Die Vorstellung, diesen weichen und etwas dicklichen Jüngling auf seine rosenfarbenen Lippen küssen zu müssen, trieb ihr einen Ekelschauer über den Rücken.
    Seit ihrem Streit gestern Abend mit Eoghan wuchs allerdings ein ungutes Gefühl in ihren Eingeweiden. Der ganze Hof summte vor Anspannung. In allen Ecken tuschelten die Höflinge und hielten sofort den Atem an, wenn sie in Sichtweite geriet.
    Newan war mit großem Staat angereist, auf gleich drei Schiffen. Direkt hinter ihm lehnte Graf Felím an einem Podest, ein eleganter, aber düsterer Mann, hinter dessen spitzfindigen Reden sich stets ein Doppelsinn zu verbergen schien. Seine Mundwinkel kerbten sich zu einem ewig spöttischen Lächeln. Als offizieller Gesandter von Newans Heimatstadt, Tír na Avalâín, weilte er häufig in Tír na Mórí. Er unterhielt sogar eine Residenz unten am Fluss. Seit Newans Ankunft wich er kaum noch von der Seite des Prinzen.
    Marielle konnte den Grafen nicht besonders gut leiden. Er hatte etwas Unaufrichtiges an sich. In letzter Zeit sah sie ihn häufig, wie er mit Edlen in kleinen Grüppchen zusammenstand und mit gedämpfter Stimme sprach, während sie gebannt an seinen Lippen hingen. Außerdem ließ er keine Gelegenheit aus, Gift gegen Santino zu verspritzen. Was immer zwischen den beiden stand, man konnte die Feindseligkeit fast mit Händen greifen. Und er behauptete, dass er nichts über das Formen wisse. Dabei hatte sie ihn beobachtet, wie er ein Tor errichtet hatte, im hintersten Winkel der Alten Gärten.
    Schnell wich sie seinen stechenden schwarzen Augen aus, und musterte den Silberfries an der Wand hinter dem Prinzen. Sie hasste das Ding, seit Magister Féach sie gezwungen hatte, sich vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang die Beine davor in den Bauch zu stehen. Bis sie den Gründungsmythos aus den getriebenen Bildern rezitieren konnte, ohne auf die Schriftplatten zu schielen.
    »… meint Ihr nicht auch, Eure Hoheit?«
    Sie schrak aus ihrer Träumerei auf.
    Erwartungsvoll lächelte Newan ihr zu. Das feine weißblonde Sonnenhaar floss dem Prinzen in Wellen über die Schultern und schimmerte wie gesponnenes Licht. In Tír na Mórí gab es nur eine Handvoll Fayeí, ausnahmslos Mitglieder der Ersten Familien, die mit Sonnenhaar auf die Welt gekommen waren. Einige von ihnen behaupteten, Sonnenhaar sei das Zeichen der wahren Kinder des Schöpfers Sarrakhan und erhebe sie über andere Fayeí. Sie beneideten die Tuatha Avalâín, die fast ausnahmslos mit diesem Wischmob aus Goldfäden auf ihren Köpfen geboren wurden, und bejubelten die bevorstehende Hochzeit mit dem Thronerben der Licht-Fayeí, als würde das einen tausendjährigen Makel von der Stadt waschen.
    Hochzeit? Die würden noch staunen. Idioten!
    Plötzlich wütend, funkelte sie den Prinzen an. Nach ein paar weiteren Sekunden des Schweigens breitete sich Unruhe im Saal aus. Ein Hauch von Panik flackerte in Newans perlmuttfarbenen Augen. Meine Güte, Hamstergesicht war leicht aus der Fassung zu bringen. Wie sollte sie diesen Jungen ernst nehmen, einen kaum Vierzehnjährigen, zwei Jahre jünger als sie selbst!
    Nein, nicht mit ihr!
    Zum Glück rettete Santino die Situation, bevor es wirklich peinlich wurde. Ihr Lehrer stieß lässig seinen großen, schlanken Körper von der Säule ab. Der schwarze Ledermantel bauschte sich um seine Kniekehlen.
    »Dieser Spalt«, sagte er, und seine Stimme klang fest und melodisch, »den Ihr gesehen habt – drang da etwas hindurch? Habt Ihr noch etwas anderes gesehen außer Wolken?«
    Newan sah ihn irritiert an. Dann zuckte Erleichterung über sein Gesicht,

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