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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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ein Atemhauch. Sie haben die Ewigkeit!
    Eine Berührung an seiner Schulter ließ ihn herumfahren, die Waffe glitt flüsternd aus der Scheide, bereit zu töten.
    Abrupt erstarrte er. Die Realität ruckte zurück in ihre Angeln.
    Graf Felím ragte über ihm auf.
    Santino warf einen schnellen Blick zurück auf die Wasseroberfläche. Die Reflexion war verschwunden. Kein Spalthund formte sich aus schwarzen Scherben. Hatte er sich das gerade eingebildet? Ein Trugbild seiner überreizten Nerven? Seit die ersten Spalte in der Nebelsee-Dimension aufgetaucht waren, suchten Albträume ihn im Schlaf heim. Er irrte wieder über die verbrannten Hügel der Sommerküste, sein Schwert in der Hand, die Arme bis zu den Ellenbogen in Blut getaucht. Roch wieder den Gestank verkohlter Leichen und die Ausdünstungen der Spalthunde, die in Rudeln durch die qualmenden Ruinen von Aruadh streiften. Erwachte schweißgebadet und mit einem üblen Geschmack im Mund, der Magen ein Klumpen Eis. Er hatte ja gewusst, dass sie ihn finden würden.
    Aber doch nicht so bald.
    »Ihr scheint besondere Privilegien zu genießen.« Felím deutete auf den Dolch in Santinos Hand. Ein Lächeln glitt über seine Lippen, erreichte aber nicht die kohlschwarzen Augen. »Weiß die Garde davon?«
    Mit erzwungener Ruhe verbarg Santino die Waffe unter dem Mantel. Er wollte sich keine Blöße geben. Nicht ausgerechnet vor einer Schlange wie Felím. Dem Grafen gefiel es, unterschätzt zu werden, doch diesen Gefallen tat Santino ihm nicht.
    Felím trat neben ihn an die Brüstung und blickte hinab zu den Fischen. »Was habt Ihr da unten gesehen?«
    »Nur einen Schatten.«
    »Nein, Ihr habt mehr gesehen.« Er hob den Kopf. »Warum habt Ihr den Prinzen so ins Kreuzverhör genommen? Ihr wolltet wissen, ob Spalthunde durch den Riss gekommen sind, nicht wahr?«
    Santino hielt seinen Blick fest. Die Augen unter dem hauchfeinen Sonnenhaar des Grafen glühten wie schwarze Kohlen. Eine ungewöhnliche Farbe für einen Licht-Fayeí. Zweifellos galt Felím als Exot unter Seinesgleichen. »Was wisst Ihr von Spalthunden?«
    »Hm«, Felím betrachtete seine Fingernägel, »die Frage muss aber doch lauten, was wisst
Ihr
? Und weiß König Eoghan es auch?« Das Lächeln blitzte erneut auf, und diesmal machte er sich keine Mühe, die Gehässigkeit darin zu verbergen.

    Die Händler der van Erlen-Karawane hatten ihr Lager weit unterhalb des Tíraphal aufgeschlagen, nur ein paar Schritte von den Markthallen entfernt. Sie boten ihre Waren auf einem Sandplatz feil, der von Gold-Jacarandas eingefasst war. Entweder, weil sie sich zu fein waren, um ihre Stände neben den gewöhnlichen Händlern zu errichten, oder, was wahrscheinlicher war, weil sie die Gebühr nicht zahlen wollten, die die Handelsgilde für einen Standplatz unter den schattigen Marktarkaden erhob.
    In der Unterstadt ging es viel geschäftiger zu als auf den Palast-Terrassen und den angrenzenden Inseln, auf denen die Residenzen der Ersten Familien träumten. Stimmen schrien durcheinander, Kinderlachen durchflirrte das Rufen, tausenderlei Gerüche schwirrten durch die Luft. Es duftete nach Gewürzen und exotischen Hölzern, nach Färbestoffen und Waffenöl, frisch gebackenem Brot und Fischinnereien. In den Bäumen flatterten Fahnen mit dem van Erlen-Emblem, der Silhouette einer Schwalbe im Flug, rot gestickt auf silbrigem Grund.
    Marielle war an einem Stand direkt am Eingang des Platzes stehen geblieben und betrachtete ein grellfarbiges, mechanisches Auto, das man aufziehen konnte und das dann mit großem Getöse über den Holztisch fuhr.
    »Wo werden die gemacht?«, fragte sie den Verkäufer.
    Der Mann trug eine blaue Hose, die nicht aus dieser Dimension stammte, und eine leuchtend gelbe Weste. Beim Grinsen entblößte er eine riesige Zahnlücke. Millionen Lachfältchen umrahmten seine Augen. Er war kein Fayeí, aber schließlich bestand die ganze Karawane aus Kreaturen, wie man sie am Nebelsee normalerweise nicht zu Gesicht bekam.
    Van Erlen stand für exotische Waren mit unaussprechlichen Namen, Sehnsucht nach fernen Gestaden und die unglaublichsten Geschichten, von denen man nie wusste, ob sie wahr oder erfunden waren. Die Karawanenmeister der van Erlen-Handelsgesellschaft waren allesamt fähige Torformer, die eifersüchtig ihre Geheimnisse bewachten. Darauf gründete sich ihr Geschäft. Sie bereisten Welten, von denen andere noch nicht einmal die Namen kannten.
    »Die kommen aus einer Dimension in den Dämmerschatten.«
    »Du

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