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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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grasbewachsenen Grund.
    Er hetzte bis zum Ende der Mauer und rannte quer über die Abrisshalde. Polizeifunksprüche wehten von der anderen Seite des Blocks herüber.
    Er erreichte die Fort Street gerade rechtzeitig, um den Bus zu erwischen, der an der Ecke hielt. Mit brennenden Lungen ließ er sich in einen Sitz fallen.
    Erst drei Stationen weiter wurde ihm bewusst, dass er entkommen war. Und dass die Cops seinen Bruder eingebuchtet hatten.
    Dad würde einen Tobsuchtsanfall kriegen, wenn er davon erfuhr.

2
Tír na Mórí, Níval.
Im Scharlachrot, südlich des Zeithorizonts
    Die Luft im blauen Salon des Tíraphal, des königlichen Palastes, war stickig und schwer von den Ausdünstungen zu vieler Menschen. Die Würdenträger aus der Delegation des Prinzen von Tír na Avalâín drängten sich auf der rechten Seite des Saals, dreißig Licht-Fayeí in raschelnder Seide, ihr weißblond schimmerndes Sonnenhaar zu abenteuerlichen Frisuren aufgetürmt. Und die Höflichkeit gebot, dass der Gastgeber sie mit der gleichen Zahl an Hofschranzen ehrte.
    Mir ist langweilig.
    »Still!«, zischte Marielle, obwohl sie nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken konnte. Amalia, diese verknöcherte Furie von einer Gouvernante, schoss ihr einen mörderischen Blick zu.
    Laaaangweilig!
    »Verzeihung, Majestät?« Prinz Newan hielt in seinem Redeschwall inne. »Habt Ihr etwas gesagt?«
    »Ich? Äh, nein.«
    Nessa, die Purpurkatze, landete auf ihrer Schulter und verhakte ihre Krallen in der Seidenjacke, dass die Goldfädchen nur so flogen. Marielle riss den Kopf zur Seite, weil der buschige Schwanz der Katze ihr einmal quer übers Gesicht fuhr und sie plötzlich Haare im Mund hatte. »Fahrt fort, es ist schrecklich interessant.«
    Nessas Stimme in ihrem Kopf war das Einzige, was sie überhaupt durch diese Audienz rettete. Wenn sie nur nicht die ganze Zeit gegen das Lachen hätte ankämpfen müssen. Amalia wusste natürlich genau, was los war. Und Santino auch, aber der stand ganz hinten zwischen zwei Säulen und grinste verstohlen. Die Katze rollte sich auf ihrem Schoß zusammen und begann zu schnurren. Diese Audienz fühlte sich immer mehr wie eine Farce an. Nur weil Magister Féach den Weltuntergang prophezeite, würde sie sich noch lange nicht in die Rolle der schüchternen Braut fügen. Wenn sie durch die Fenster nach draußen spähte, deutete jedenfalls nichts auf eine herannahende Katastrophe hin. Der Himmel glänzte in azurblauen und platinfarbenen Fäden, und rostweiße Wolkenfetzen quollen über den Horizont. Ein Tag wie jeder andere. Woraus zog Féach seinen Schluss, dass etwas den Anker ihrer Welt zu erschüttern drohte?
    Marielle grub ihre Finger in Nessas Fell und presste sie fest auf ihre Oberschenkel. Eine abstehende Feder im Stuhlpolster pikte ihr in den Rücken. Die Hitze war trotz des Windes, der vom See her durch die weit geöffneten Fenster wehte, unerträglich. »Nun macht schon weiter!«, ermunterte sie den Prinzen. »Ihr seht doch, wir alle müssen uns schon Luft zufächeln vor Aufregung, wie die Geschichte wohl ausgeht.«
    Nessa wölbte ihren Rücken zu einem Buckel und plusterte ihr Fell, bis sie einer bernsteinfarbenen Kanonenkugel glich.
    Prinz Newan sah sie zweifelnd an und räusperte sich. »Also gut, wir, ähm, segelten in Sichtweite des Ufers, als sich plötzlich dieser Spalt auftat, weit draußen über dem See. Die Nebel erzitterten! Und wir erzitterten desgleichen.«
    Er hatte eine weiche, einschläfernde Stimme, und sein Hang zu dramatischer Lyrik strengte sie an. Marielle erwartete jeden Moment, dass er begann, in Versen zu sprechen.
    »Dieser Riss war so gewaltig, dass drei Heuwagen hindurchpassten, und er reichte bis hoch in die Wolken. Und Wolken ganz anderer Art waberten darinnen …«
    … und eine Schar wütender Purpurkatzen strömte heraus, enterte das Schiff und fraß die Kombüse leer,
übertönte Nessa in Marielles Kopf den Vortrag des Prinzen.
Ich habe Hunger. Mir ist langweilig. Wir könnten uns rausschleichen und das van Erlen-Lager besuchen. Die haben sehr leckeren Fisch.
    Marielle versetzte ihr einen Klaps zwischen die Ohren und musterte die Leute im Saal.
    Wofür war das?
Die Fellspitzen zitterten vor Empörung und nahmen einen bläulichen Schimmer an.
    Newans Worte wurden zu einem gurgelnden Bergbächlein, das beruhigend zwischen den Säulen aus Opalglas und den versilberten Blüten hindurchfloss. Besser als jeder Einschlafzauber.
    »Für Insubordination«, wisperte

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