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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Eurem Sohn.«
    Unwillkürlich verkrampfte Ken seine Schultern, beim Versuch, ganz gerade zu sitzen. Was erwarteten sie jetzt von ihm? Sollte er etwas sagen? Vielleicht hoheitsvoll lächeln? Aber das ging nicht, dann würde er grinsen wie ein Idiot.
    Zum Glück nahm Moráin sogleich den Faden wieder auf. »Ich bin glücklich, dass die Berichte über Euren Tod nicht der Wahrheit entsprechen. Ich vermute, dass Ihr zunächst nach Tír na Avalâín zurückkehren und die Frage der Thronfolge klären wollt. Nun, da das Versprechen gegeben wurde, brauchen wir nichts mehr zu überstürzen.«
    »Nein, in der Tat«, erhob sich Eoghans Stimme von der anderen Seite, »das brauchen wir nicht. Wir haben genügend Zeit, in der der junge Prinz sich als würdig erweisen kann.«
    Nervös betastete Ken das glasige Siegel auf seinem Handgelenk.
    Er meint, du musst ihr den Hof machen.
Nessas Schwanzspitze zuckte träge.
Deinen Wert beweisen. Ihr Geschenke aus dem Hort eines Drachen stehlen. Du weißt schon, was eben üblich ist.
    Ken öffnete den Mund und schloss ihn wieder, als Coinneach aufstand und sich in blumigen Worten bei Moráin bedankte. Marielle hatte eine säuerliche Miene aufgesetzt. Wahrscheinlich, weil alle wie selbstverständlich davon ausgingen, dass sie keinen Widerspruch anmeldete. Aber sie hielt den Mund.
    Geschenke aus einem Drachenhort stehlen? Er hoffte nur, das war als Scherz gemeint.

    Das Durcheinander nach dem Putsch-Versuch des Ratsherrn Ceallacháin war so groß, dass niemand versuchte, Santino aufzuhalten, als er den Tíraphal verließ.
    Dennoch machte er sich keine Illusionen. Seine neu gewonnene Bewegungsfreiheit verdankte er nur der Tatsache, dass im Moment andere Probleme die Aufmerksamkeit des Königs beanspruchten. Die Sache war noch nicht ausgestanden. Ceallacháins Beinahe-Staatsstreich hatte ihm eine Gnadenfrist verschafft, nicht mehr.
    Blieb nur die Frage, wie er sie nutzen sollte. Ein Teil von ihm wollte seine Habseligkeiten zusammenraffen und Níval auf dem schnellsten Wege verlassen, bevor er sich ein zweites Mal in Ketten wiederfand. Ein anderer Teil drängte ihn, nach dem magischen Leuchtfeuer zu suchen, das die Verschlingerinnen zum Nebelsee lockte. Er war es diesen Menschen schuldig. Doch wo um alles in der Welt sollte er anfangen? Und würde Eoghan ihm Glauben schenken, wenn er die Wahrheit vor dem König ausbreitete?
    Die Suche konnte eine lange Zeit in Anspruch nehmen, Wochen, vielleicht Monate, möglicherweise Jahre. Wer immer das Signal errichtet hatte, hatte es sicher gut verborgen. Vielleicht loderte die Flamme nicht einmal in Tír na Mórí, sondern in Tír na Avalâín auf der anderen Seite des Sees, einer Stadt, in die er besser keinen Fuß setzte, solange Coinneachs neue Herrschaft nicht gefestigt war.
    Auf einer der Brücken, die über die Alabasterteiche hinweg zur Unterstadt führten, blieb er stehen und blickte auf den Hafen hinab. Der Kai, an dem die Schiffe aus Tír na Avalâín ankerten, hatte sich in einen geschäftigen Ameisenhaufen verwandelt. Dutzende königlicher Gardisten kontrollierten die Zufahrtswege. Die Stege zu den Decks bogen sich unter der Menge von Passagieren, viele von ihnen Soldaten in weiß emaillierten Parade-Harnischen. Dazwischen drängten sich Bedienstete und Lastenträger. Die Sänften der Adligen waren noch nicht zu sehen. Vermutlich gingen sie erst kurz vor dem Ablegen an Bord der Schiffe, wenn alles Gepäck verladen war.
    Santino empfand Mitleid mit Newan. Es musste schwer sein für diesen schüchternen, streng der Etikette verpflichteten Jungen, den Marielle boshaft Prinz Pickelhefe nannte. Wie verkraftete er es, in Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt zu werden, weil seine Braut einen anderen vorzog? Der junge Prinz konnte nichts dafür, dass Maebh ihn zum Spielball in ihren Hofintrigen gemacht hatte. Doch die Demütigung würde deshalb nicht weniger schmerzen.
    Tief holte Santino Atem und wandte sich ab.
    Seine Schulter tat höllisch weh und sein Kopf fühlte sich an wie mit rot glühenden Schmiedenägeln malträtiert. Jetzt, wo die letzte Schlacht geschlagen war, fand er kaum noch genug Energie, um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Selbst das Gardeschwert, das er bei seiner Flucht aus dem Kerker einer Patrouille abgenommen hatte, fühlte sich an wie eine schwere Last. Er setzte sich in Bewegung und stieg die restlichen Treppen hinab, bis zu den Markthallen.
    Auf dem Sandplatz unter den Gold-Jacarandas herrschte Aufbruchstimmung, ein

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