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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Gerüche quollen. Die van Erlen-Händler kauften hier kistenweise Öle und Tinkturen, denn die Extrakte der Apotheker von Tír na Mórí waren weit über die Grenzen der Nebelsee-Welt hinaus heiß begehrt. Aus einem Hohlweg löste sich die unangenehm vertraute Silhouette Graf Felíms, der etwas in seiner Hand zerknüllte. Einen Bogen grünes Papier. Sie stockte mitten im Schritt. »Was hat der hier zu schaffen?«
    Santinos Blick wurde schmal, während er dem Botschafter nachstarrte, bis er zwischen den Bäumen verschwand. Ein Muskel in seinem Kinn spannte sich an. »Das ist eine gute Frage.«
    »Ich mag ihn nicht. Er ist mir unheimlich.«
    »Du solltest ihm aus dem Weg gehen.«
    »Das mache ich sowieso.« Dass Santino den Grafen ebenso wenig leiden konnte, war beruhigend. Sie bückte sich nach Nessa und strich ihr über den Rücken. »Ich habe übrigens gehört, wie Féach zu meinem Vater sagte, dass jemand in die nördliche Dimension reisen müsse, um die Störung aufzuspüren und sie auszuschalten. Wie schwer kann das sein? Warum schickt er nicht einfach ein paar Soldaten?«
    »Du lauschst an der Tür deines Vaters?«, fragte Santino.
    Sie ignorierte seinen Spott und kämmte mit den Fingern durch die Zweige eines Jacaranda-Baums, sodass sich ein Wasserfall goldener Blüten über ihre Köpfe ergoss.
    »Es gibt kein Tor, das sie einfach benutzen könnten«, sagte er.
    »Aber natürlich gibt es das!« Zwei Säulen und ein Portikus aus Opalglas, so alt, dass sie unter Efeu und Kletterrosen begraben waren. Nur wenige Leute wussten überhaupt, dass ein Tor dazwischen existierte. »Das alte Portal in den Königlichen Gärten!«
    Und plötzlich kam ihr die Erleuchtung. Niemand hatte es durchschritten, seit Sarrakhan die Nebelsee-Welt erschaffen hatte. Weil der Schlüssel vor so langer Zeit verloren gegangen war, dass nicht einmal Magister Féach sich daran erinnerte.
    »In der Tat. Und der Schlüssel ist das Erste Blut.«
    »Was? Woher weißt du das? Nicht mal Féach –«
    »Oh doch. Er weiß es. Er spricht nur nicht darüber, weil es ein Geheimnis ist.«
    »Aber dir hat er es erzählt?«
    Santino lächelte schmal. »Es braucht ein Kind vom Ersten Blut, um das Portal zu aktivieren. Sarrakhan hatte zwei Söhne, die die Völker der Tuatha Avalâín und der Tuatha Mórí begründeten. Er prägte sein eigenes Blut als Schlüssel auf das Tor. Du solltest am besten wissen, wie das funktioniert.«
    Sie biss sich auf die Lippen, musterte interessiert die Silhouette des Tíraphal und tat so, als wüsste sie nicht, wovon er sprach.
    »Wenn die Königslinien der Licht- und Nebel-Fayeí wieder zusammengeführt werden, würde das Blut des Kindes wohl ausreichen –«
    Die Wut in ihrem Herzen flammte neu auf. Wie konnte er so gelassen neben ihr herlaufen und über diese Dinge sprechen, als wären sie das Normalste der Welt? Wie konnte denn plötzlich das Überleben der ganzen Stadt von ihr abhängen? »Warum macht ihr nicht einfach ein neues Tor?«
    »Weil man nicht
einfach so
ein Portal in eine nördliche Dimension schneiden kann. Das ist, als müsstest du von hier aus eine Stecknadel nach diesen Dingern werfen«, er wies auf eine Traube orangeroter Lampions, die gut fünfzehn Meter über ihren Köpfen in den Kronen der Jacaranda-Bäume schaukelte, »und sie so treffen, dass die Nadelspitze sich ins Papier bohrt.«
    »Und wie hat es Sarrakhan dann geschafft?«
    »Sarrakhan verfügte über Fähigkeiten jenseits unserer Vorstellungskraft.«
    Grollend schwieg sie. Begriff er denn nicht, was sie von ihr verlangten? Mit der Fußspitze stieß sie Kiesel vor sich her.
    »Also muss ich ein Kind von diesem Prinzen bekommen und sein Blut öffnet das Tor?« Das war nun wirklich widerlich. Allein die Vorstellung, ihn zu küssen, brachte sie dazu, sich zu schütteln. Mit ihm ins Bett gehen, wo er seine weichen, rosafarbenen Hände auf ihren Körper legen und sie überall anfassen könnte? Nie im Leben. Nicht dass sie viel praktische Erfahrung in diesen Dingen besaß. Aber die Mädchen bei Hof tratschten ja über nichts anderes, da schnappte sie genug von der Theorie auf, um sich die Praxis vorstellen zu können. »Und was, wenn es zu lange dauert?«
    »Das wird es nicht. Die ersten Risse sind vor ein paar Monaten aufgetaucht. Wenn Magister Féach sich bei der Zeitverschiebung nicht verrechnet hat, haben wir noch mindestens vier Jahre Zeit.«
    Vier Jahre.
    Ein Teil ihrer Anspannung löste sich und schwemmte davon. Das war ja fast eine Ewigkeit!

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