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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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ihn entdeckt. »Ich habe dich überall gesucht!«
    Julys Augen schleuderten Blitze. Alles Gute zum Geburtstag, spottete Kens innere Stimme. Mal sehen, was der Tag sonst noch so bringt.
    »Wir reden später.« Er wandte sich von ihr ab und trat aus der dunklen Nische heraus. »Hallo, Mr Higgins.«
    »Komm mit.« Higgins’ Gesicht war eine Maske aus Stein, mit zwei senkrechten Falten auf der Stirn. »Wir müssen uns unterhalten.«
    July holte tief Luft. »Wir haben hier gerade –«
    »Sofort.«
    Ken gehorchte und hetzte hinter Higgins her, froh, dass der Lehrer ihn vor dem Streit mit July gerettet hatte. Ihre Schuhsohlen quietschten überlaut in die dämmrige Stille des Korridors. Der Lehrer sagte kein weiteres Wort, bis die Glastür seines winzigen Büros hinter ihnen ins Schloss fiel. Er machte sich nicht einmal die Mühe, Ken einen Stuhl anzubieten, sondern lehnte sich nur gegen seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme. »So. Was wollen die Cops von dir?«
    Panik fuhr Ken in die Glieder. »Die Cops?«
    »Stell dich nicht dumm.« Higgins fuhr sich durchs kurz geschorene Haar. Er war einer der jüngeren Lehrer und der einzige, der niemals versucht hatte, Ken in die Pfanne zu hauen. Warum kam ausgerechnet er jetzt mit den Cops?
    »Wieso, Sir? Haben sie angerufen?«
    »Nein. Sie trinken Kaffee im Büro von Mrs Prescott und warten darauf, dass jemand dich ausfindig macht.«
    »O Scheiße«, entfuhr es Ken.
    »Was hast du angestellt?«
    »Nichts.« Er musterte einen Fleck auf dem Fußboden, der aussah wie die Umrisse von Afrika.
    »Entweder du schenkst mir reinen Wein ein und wir überlegen uns eine Lösung. Oder ich schleife dich jetzt gleich am Kragen zu Mrs Prescott und werfe dich den Cops zum Fraß vor. Sie sind zu dritt. Such’s dir aus.«
    Ken blickte wieder auf und versuchte in Higgins’ Augen zu lesen, ob der Lehrer ihn aufs Glatteis führen wollte. Aber da war nichts. Oder er sah es nicht. »Okay«, murmelte er. »In Ordnung. Ich sag’s Ihnen.«
    Higgins nickte knapp.
    »Es geht um meinen Bruder. Sie haben Pat gestern Nacht bei einem Drogendeal hochgenommen.«
    »Sonst noch was?«
    »Sein Verteidiger hat heute früh angerufen. Es gibt noch andere Anschuldigungen. Ich schätze, die bereiten die Anklage vor und wollen mich jetzt wegen Pat ausquetschen.«
    »Und du hängst da nicht mit drin?«
    Ken schüttelte den Kopf.
    »Wirklich nicht?«
    »Nein.« Er hielt Higgins’ prüfendem Blick stand. »Ich hab’s erst heute früh erfahren. Bei uns zu Hause war die Hölle los. Deshalb bin ich auch zu spät gekommen.«
    »Na gut.« Higgins stieß sich ab. »Dann hast du ja nichts zu befürchten.«

    Der Kristallsaal auf der höchsten Ebene des Tíraphal entfaltete eine atemberaubende Pracht, die Marielle sonst nur von den Mittsommerbällen kannte. In den zahllosen Facetten der Wand- und Deckenverzierungen reflektierten sich die Juwelen und prunkvoll verzierten Roben von achthundert Gästen. Harfen und Trommeln hallten von den Opalglas-Gewölben wider. Ihre Klänge sanken herab in ein Duftmeer aus Orangenblüten, Lavendel und jungem Wein.
    Prinz Newans Finger fühlten sich kalt und schwitzig an. Marielle fand die Berührung so widerwärtig, dass sie all ihre Willenskraft aufbringen musste, um ihm nicht mitten im Reigen die Hand zu entreißen. Aber das wäre ein unverzeihlicher Fauxpas gewesen.
    Sie war keine gute Tänzerin, jedenfalls wenn man Amalia glauben durfte. Der alte Drache behauptete, sie tanze so graziös wie ein Holzfäller mit Bleistiefeln. Und wer konnte ihr das verdenken, in dieser Monstrosität von Ballkleid, die sie tragen musste? Zwei Zofen waren nötig gewesen, um sie in das Ding zu zwängen. Und nun fühlte es sich an wie zehn Lagen Fischernetz, die jemand mit Eisengewichten beschwert hatte.
    Ein Tribut an die Kultur der Tuatha Avalâín, hatte Amalia gezwitschert, um unsere Wertschätzung zu demonstrieren. Als wäre es die größte Ehre der Welt, dass die Licht-Fayeí sich herabließen, ihren Kronprinzen für eine Ehe mit einer Nebel-Fayeí zu opfern. Hatte sie die Krätze, dass man ihre Unwürdigkeit unter vierzig Pfund Perlen und Silberdraht verstecken musste? Außerdem, wenn
das
die rituelle Hofkleidung in Tír na Avalâín war, konnte sie erst recht darauf verzichten, nähere Bekanntschaft mit dem arroganten Schwestervolk zu machen.
    Newan lächelte dümmlich, wann immer ihre Blicke sich trafen. Und wenn er sich einbildete, sie würde es nicht merken, starrte er ihr aufs Dekolleté. Dreist

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