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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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noch.«
    »Ich hab dich vom Fenster aus gesehen.« Wie konnte sie sich erst so aufführen und eine Stunde später so tun, als wäre überhaupt nichts vorgefallen? »Stimmt es, dass die Cops dich verhört haben?«
    »Wer sagt das?«
    »Ich weiß es eben.« Geziert lachte sie. »Hör mal, das vorhin war nicht so gemeint. Heather hat mir gerade erzählt, dass Gina mit Bo zusammen ist, das wusste ich nicht. Wieso hast du nicht gesagt, dass nichts mit ihr läuft?«
    Weil es keine Rolle spielt, dachte er. Weil es ihm sowieso egal war, was sie dachte. Weil ihm von Julys Parfümgeruch und dem Chemiegeschmack ihrer Hochglanzlippen schlecht wurde. Und sie einfach nicht begriff, dass sie verschwinden sollte.
    Sie umfasste mit beiden Händen sein Gesicht. »Mach die Augen wieder zu.«
    »Warum?«
    »Ich hab dein Geschenk.«
    »Aber warum muss ich dafür die Augen zumachen?«
    »Mach’s einfach, okay?«
    »Hör mal, es ist so –«
    Sie legte ihm einen lackierten Nagel auf den Mund. »Schhh. Augen zu.«
    Er gehorchte. Neben ihm raschelte es, sie fummelte an seinem Kopf herum, dann spannte sich etwas Weiches, Kühles über seinen Augen. Mit einem Ruck zog sie sich auf seinen Schoß. Ihm wurde siedend heiß bewusst, dass man sie von den Fenstern der oberen Klassenräume beobachten konnte. Was sollte das werden, öffentlicher Sex? Legte sie es darauf an, dass alle ihr zusahen?
    Ihre Finger glitten in seinen Nacken, vergruben sich in den Locken und zogen seinen Kopf dicht an ihren. »Happy Birthday«, murmelte sie. »Mein süßer Gangsterprinz. Pass auf, meine Eltern sind nächstes Wochenende nicht da. Du bist eingeladen. Nur du und ich und ein riesiges Bett.« Sie presste ihre Lippen auf seine, ihre Zunge stieß gegen seine Zähne. Er schmeckte Chemie-Erdbeeren und roch die Puderschicht auf ihren Wangen. Von einem Moment auf den anderen überwältigte ihn ein solcher Widerwille, dass er es keine Sekunde länger aushalten konnte. Er stieß sie zurück und riss sich den Seidenschal vom Gesicht.
    »Hör auf!«, knurrte er.
    »Was?!« Entgeistert starrte sie ihn an.
    »Du kapierst es nicht!« Sein Groll brach sich Bahn. All seine Frustration, seine Wut auf Pat und seinen Vater und über Mrs Prescotts giftige Blicke fingen gleichzeitig Feuer. July war der eine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. »Ich will nicht das Wochenende mit dir verbringen! Ich will dich nicht mal küssen! Deine Gesellschaft ist mir unangenehm, verstehst du?! Ich weiß, du findest es sexy, mit Gangstern zu schlafen. Musst deinen stinkreichen Eltern beweisen, wie rebellisch und unabhängig du bist. Dabei hast du keine Ahnung, wie das mit einem echten Gangster ist. Ich kann dich aber gern mal mit Pat bekannt machen!«
    Der Ausdruck totaler Fassungslosigkeit in ihren Porzellanaugen hätte ihn zum Lachen gebracht, wäre er nicht so wütend gewesen.
    »July, du leidest unter Realitätsverlust, hat dir das mal jemand gesagt? Geh, erhöre einen von deinen fünfzig Verehrern.«
    »Du –« Sie wurde erst bleich, dann bildeten sich rote Flecken auf ihren Wangen.
    »Du interessierst dich doch gar nicht für mich. Der einzige Mensch, für den du dich interessierst, bist du selbst.«
    In die entstehende Stille schrillte die Pausenklingel. Ken stand auf. »Ich bin nicht das, was du denkst, July. So was wie mich willst du nicht haben.«
    Er wandte sich ab und setzte sich in Bewegung.
    »Du Bastard!«, schrie sie ihm hinterher. »Du bescheuerter, irischer Penner! Dir hat doch jemand das Gehirn amputiert, genau wie deiner geisteskranken Mutter –«
    Sie rief noch mehr, aber er konnte ihre Worte nicht mehr verstehen, weil er genug Distanz zwischen sie beide gebracht hatte.

    Der Spalt war so riesig, dass Marielle unmöglich sagen konnte, wie weit entfernt er war. Nebel verwirbelte entlang der Ränder. Es drang kaum Licht heraus, nur dieses kränkliche innere Leuchten. Eine gelblich grüne Atmosphäre, die aussah wie kochende Erbsensuppe.
    Was
war
das?
    Prinz Newan hatte von dem Spalt auf dem See berichtet, so breit wie drei Heuwagen. Aber das hier …
    Ein hysterisches Lachen gluckste in ihrer Kehle. Der hier war so breit, dass ein ganzes Gebirge hineinpasste! Sah so das Ende der Welt aus? Vielleicht hatte Magister Féach sich verrechnet und sie hatten keine vier Jahre mehr.
    Aber im Augenblick geschah nichts, außer dass der Riss furchterregend am Horizont pulsierte. Weder die Stadt noch der See machten Anstalten, in sich zusammenzustürzen.
    Ihr wurde bewusst, dass

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