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Purpurfalter

Purpurfalter

Titel: Purpurfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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ob nun in der Gestalt eines Menschen oder eines Vampirs.
    Stimmen drangen bereits im Vorraum zu ihr. Lautes Gelächter. Triumphschreie. Die Männer prosteten sich offensichtlich zu und sangen Siegeslieder. Diener und Mägde hasteten an Loreena vorbei. Sie trugen Brote, Eier und Schinken auf Silbertabletts, sogar ganze Platten mit Kuh-, Schafs- und Ziegenkäse und Karaffen mit Rotwein. Hin und wieder schwappte die rubinrote Flüssigkeit auf den Steinboden und hinterließ eine Spur.
    Loreena betrat den Saal. Brennende Fackeln steckten in Halterungen an den Wänden. Zusätzlich erhellten Honigkerzen die Gänsekeulen, Rehrücken und Wildschweinbäuche auf den Tafeln. Knochen lagen in den Gängen, so dass Loreena darüber steigen musste.
    Es war nicht schwer, Wor in der feiernden Menge auszumachen. Nur in einen Unterrock gekleidet stand er auf einem Stuhl und erzählte von der Unfähigkeit Wahnsteins, Feste auf dem Kastell Siede zu feiern.
    „Zu eisig sind ihre Gemüter. Zu steif ihre Umgangsformen im Gegensatz zu den sonnigen Seelen der südlichen Krisis“, posaunte er, um den Tumult zu übertönen. „Wir dagegen haben Feuer im Blut.“
    Erschrocken blickte sie in sein Porzellangesicht. Selbst seine Lippen waren erschreckend blass. Als er in einen gebratenen Fasanenflügel biss, atmete sie erleichtert auf. Zielstrebig stolzierte sie auf ihn zu.
    „Verschwenderisch!“, schimpfte Loreena. „Dem Reich geht es nach monatelangem Krieg schlecht und die Herren der Schöpfung lassen es sich gut gehen.“
    Wor stieg unsicher vom Stuhl hinab und nahm einen Schluck Wein. „Das haben wir uns verdient.“
    Seine Gefolgsleute stimmten ihm lautstark zu.
    „Die Vorräte sind knapp. Das Reich muss sich erst erholen, bevor rauschende Feste gefeiert werden können.“
    „Feste muss man feiern, wie sie fallen, Tochter.“ Wor schmiss den Flügel gegen das nah gelegene Fenster, so dass die Knochen hinunterfielen und auf der Fensterbank liegen blieben. Dann stellte er den Becher ab. Schwankend umarmte er sie. „Danke für die herzliche Begrüßung. Es ist auch schön, dich wieder zu sehen.“
    Loreena schlang seufzend die Arme um seinen Wanst. „Das ingrimm’sche Volk ist in der Tat leidenschaftlich. Von Steifheit und Eiseskälte keine Spur. Doch auch die Feurigen müssen in üblen Zeiten Vernunft statt Torheit zeigen.“
    Wor schob sie von sich fort und sah sie todernst an. „Wie gut, dass ein törichter König eine weitsichtige Tochter hat.“
    Alle Anwesenden verstummten. Nicht einmal die Diener wagten es, die Becher nachzufüllen oder Knochen abzuräumen. Der gesamte Raum erstarrte. Nur der Wind, der an die Scheiben klopfte, unterbrach die Stille.
    Plötzlich hieb Wor mit der Hand auf den Oberschenkel und prustete los. „Trink mit uns, Loreena. Iss mit uns. Denn wir besiegten die Heere des Westens und Nordens. Auf Ingrimm!“
    Er griff nach dem Becher und prostete seinen Mannen zu, so dass Rotwein über seine Hand schwappte. Ohne abzusetzen leerte Wor den Becher. Zufrieden seufzend fuhr er sich mit dem Ärmel des Unterrocks über den Mund.
    „Auf Ingrimm!“ Das Heer hob die Becher und trank. Das Stimmenwirrwarr schwoll erneut an.
    Loreena war dies recht, konnte sie ihrem Vater ein paar Worte zuflüstern, die nicht für jedermanns Ohren gedacht waren. „Wie ich sehe, geht es dir besser. Dennoch, du bist blass.“
    „Das, mein Kind, hat wohl einen anderen Grund. Gewöhne dich dran.“
    Ihre Miene verfinsterte sich. „Daran werde ich mich nie gewöhnen!“
    Liebevoll legte Wor seine Handfläche an ihre Wange. „Ich bin immer noch derselbe. Dein Vater hat dich vermisst. Er vermisst auch Lomas.“
    Loreena schmiegte sich an seine Hand wie ein Kätzchen und spürte sein Zittern. Sie fragte sich, ob er betrunken war oder ob die Wandlung zum Vampir ihn quälte. „Ich wünschte von ganzem Herzen, mein Bruder wäre hier bei uns.“
    „Das wird er bald sein.“ Zärtlich küsste er ihre Stirn.
    Loreena blinzelte ihn argwöhnisch an. „Was meinst du damit? Ich weiß, es sind nicht nur Worte, um mich zu beruhigen. Dieser gewisse Unterton in deiner Stimme ist nicht zu überhören.“
    „Du bist meine Tochter und kennst mich wahrhaft gut.“ Er nahm die Hand von ihrer Wange. Mit der anderen stellte er den Holzbecher auf die Tafel. Sofort eilte eine Magd herbei, um den Becher erneut mit Wein zu füllen.
    „Was hast du vor, Vater? Weißt du etwas, das ich ebenfalls wissen sollte?“
    „Nein, da muss ich dich enttäuschen. Dennoch

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