Purpurfalter
sollte ich dir mitteilen, dass ich in drei Tagen gen Frostlande aufbrechen werde, um Lomas zu befreien.“
„Das ist nicht dein Ernst!“ Empört rüttelte sie an seinen Schultern. Als er wankte, hielt sie inne. „Du bist schwach. Dein Gesundheitszustand lässt keine neue Reise, keinen weiteren Kampf zu. Du brauchst Ruhe und Pflege. Wie kannst du auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden, zum jetzigen Zeitpunkt aufzubrechen?“
Wor hielt ihr seine Hände hin und Loreena ergriff sie. „Du hast vollkommen Recht. Es ist irrsinnig. Aber es gibt Dinge, die getan werden müssen. Zwei Feinde Ingrimms sind bereits in ihre Schranken gewiesen worden. Ein weiterer wird folgen.“
„Was hat das Volk davon, wenn sein König stirbt?“
Wor küsste ihre Fingerspitzen. „Ich muss meinen Sohn befreien, damit er mich beim Kampf gegen den Grafen unterstützt. Wie du schon sagtest, habe ich mein Wort gegeben, Schomuls Befehl Folge zu leisten - und mein Wort zählt! Dein Bruder jedoch schuldet niemandem etwas.“
Loreena wich zurück. „Und was ist mit mir? Wieso traust du mir diesen Schachzug nicht zu?“
Sanft hob er ihr Kinn an. „Dummerchen! Nicht, weil du eine Frau bist oder meine Tochter, aber du hast Schomul indirekt dein Wort gegeben. Du hast die Verhandlung geführt. Mehr kann ich nicht von dir verlangen.“
Loreena wandte sich zur Tafel und griff nach Wors Becher. Hastig trank sie, um ihren Kummer hinunterzuspülen. Sie glaubte ihrem Vater kein Wort! Lomas war der Thronfolger. Ihm schenkte Wor sein Vertrauen. Erst als ihr Bruder während der Schlacht auf der Ebene Fallbö in Gefangenschaft geriet, durfte sie mehr als nur ein Anhängsel des Königs sein. Loreena hatte ihre Chance genutzt. Stolz traf sie Entscheidungen und gab ihrem Vater Ratschläge. Ihr Einfluss wuchs; die Anerkennung Wors und des Volkes ebenfalls. Loreena war der Meinung ein wertvoller Ersatz für Lomas zu sein. Nun wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie mehr Ersatz als wertvoll war und Wor ihr nicht zutraute, eines Tages auf dem Thron zu sitzen. Sie war gut genug, um mit Graf Schomul zu verhandeln, da niemand anderes zur Stelle war. Aber Wor konnte sich offensichtlich nicht vorstellen, dass sie gegen den Vampir kämpfen konnte.
„Ich möchte Lomas auch in Tide haben“, murmelte sie und leerte den Becher. Vielleicht hatte ihr Vater Recht. Sie war zu schwach für eine delikate Auseinandersetzung wie die gegen Valkenhorst. Diese Aufgabe verlangte nach Fingerspitzengefühl, Diplomatie und Strategie. Loreena musste zugeben, keinerlei Erfahrung in Regierungsgeschäften zu besitzen. Zudem hatte sie breits bewiesen, wie schwach sie gegenüber Schomul war. Er hatte in ihr gelesen wie in einem offenen Buch und ihre geheimsten Sehnsüchte erkannt. Nicht einmal berühren brauchte er sie, um ihren Schoß vor Lust brennen zu lassen. Nein, sie war wahrlich nicht die rechte Person, um ihm die Stirn zu bieten. Ein Fehltritt und die Vampire würden von Ingrimms Plan, sie zu hintergehen, erfahren. Innerhalb eines Tages wäre das Reich von der Finsternis geknechtet.
Loreena hielt ihren Becher einem pausbackigen Diener, der hektisch mit einer Karaffe an der Tafel vorbeilief, unter die Nase und bekam neuen Rotwein eingeschenkt.
Sie musste mehrmals schlucken, bevor sie etwas rufen konnte: „Auf Ingrimm!“ Majestätisch hob sie den Becher und schwenkte ihn.
Die Männer zögerten. Erst als Wor jubelte: „Das ist meine Tochter. So mag ich sie. Auf Ingrimm!“, erwiderten die Feiernden den Gruß. Grölend schlugen sie die Holzbecher aneinander. Sie stimmten Lieder an und zitierten Gedichte über die größten Triumphe in der Geschichte des Reiches.
„Auf Ingrimm unter der Flagge von Valkenhorst!“ Plötzlich stapfte Graf Schomul mit zwölf Begleitern in den Saal. Sie gingen in Zweierreihen mit dem Oberhaupt an der Spitze. Sofort verstummten alle Feiernden. Gekleidet in Mänteln, deren Nähte aus silbernem Zwirn sich vom schwarzen Samt absetzten, jeder mit einem Gehstock aus Ebenholz, wirkten sie wie eine Armee der Finsternis. Ihre nachtfarbenen, polierten Stiefel glänzten im Schein der Kerzen und Fackeln. Die ledernen Handschuhe dagegen waren von mattem Wildleder. Abfällig blickten die Vampire auf die verschwitzten Männer, die in Rotwein besudelten Unterröcken ein derbes Fest feierten, als sie die Reihen schnellen Schrittes passierten. Erst vor König Wor hielten sie an.
Mit gerümpfter Nase glitt Schomuls Blick von Wors schweißverklebten
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