Purpurfalter
nicht nur, um sich vor Regen und Kälte zu schützen, sondern auch um zu verbergen, dass sie kein Kleid trug. Niemand durfte einen Blick auf die Schweinslederhose und das Leinenhemd darunter werfen, damit ihr Plan nicht in letzter Minute durchkreuzt werden konnte.
Sie beobachtete unruhig ihren Vater. Zitternd hielt er zwei Schwerter in der Hand und entschied sich für das größere. Seine Haut wirkte von Tag zu Tag unnatürlicher. Blass und glänzend zeigte sich sein Teint, blutunterlaufen seine Augen. Jede Bewegung fiel ihm schwer und Loreenas Zweifel an der Wirkungsstärke von Schomuls Biss wuchsen. Hatte der Graf sie betrogen? Wor erholte sich zwar von der Bauchverletzung, die Wandlung zum Vampir vollzog sich jedoch schleppend. Ihrem Vater ging es schlechter als kurz nach seinem ersten Treffen mit dem Grafen. Sie machte sich große Sorgen. Würde er die Reise zur frostländischen Hauptstadt Firn durchstehen? Konnte er jetzt schon einen neuen Kampf überleben? In den drei Tagen seit seiner Rückkehr hatte er Strategien entwickelt. Ruhe gönnte er sich nicht. Er wollte den Norden kurz nach der letzen Schlacht vor ein paar Tagen angreifen, weil man auf der Feste Nebelhorn bestimmt nicht damit rechnete.
„Überraschungsmoment, mein Kind“, hatte er zu ihr gesagt. „Eine gefährliche Waffe ohne Klinge. Merke es dir gut für dein Leben.“
Nun stand er im Nieselregen inmitten seines Heeres, bereit aufzubrechen, um seinen Sohn zu befreien. Der frisch gestutzte Bart ließ leichenblasse Haut durchschimmern. Knappen mit Fackeln leuchteten den Versammelten. Tagsüber hatte eine unheimliche Atmosphäre über der Festung Tide gelegen. Die Männer legten sich mittags schlafen, um sich nachmittags von ihren Lagern zu erheben und ein letztes Mahl einzunehmen. Die folgenden Tage würden mager werden. Wenige Pferde trugen Proviant. Küstenmark besaß ohnehin nicht mehr viele Reserven. Das Reich musste sich erst von den Strapazen der vergangenen Monate erholen. Der Krieg hatte sie in die Knie gezwungen. Nur langsam schlich der Erholungsprozess voran.
Der Heerbläser blies das Horn und die Männer schickten ihre Knappen fort. Wor wollte gerade in den Sattel steigen, als Schreie ihn innehalten ließen. Hufgetrampel drang von den Straßen Küstenmarks zu ihnen. Unruhe machte sich im Heer breit. Die Männer ballten Fäuste gen Osten. Wor spuckte auf den Boden, denn er erkannte, wer sich Einlass verschaffte.
Eine Armee Vampire ritt in Zweierreihen in den Hof. Stolz ragten ihre Häupter hoch über den Köpfen der Männer. Schwarze Umhänge verhüllten ihre Körper und auch mögliche Waffen. Ihre blassen Gesichter lugten gespenstisch aus den Kapuzen. Sie hielten vor Wor. Ein Vampir nickte dem König zu, als wollte er mitteilen: Wir sind bereit aufzubrechen! Loreena erkannte Mogall an seinen blonden Haaren.
„Ich sagte, wir benötigen keine Unterstützung“, knurrte ihr Vater.
Mogall sah auf ihn herab. „Graf Schomul hat Euch seinen Willen bereits mitgeteilt. Seine Anordnung ist Gesetz.“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Krieger. Tuschelnd machten die Männer ihrem Unmut Luft. Loreena ergriff Furcht, die Situation könnte eskalieren. Wie viel würde sich Ingrimm bieten lassen, bevor die Emotionen überkochten?
„Es ist mir egal, was er gesagt hat.“ Wütend stieg Wor in den Sattel. „Auf Tide formuliere immer noch ich die Anweisungen.“
Mogall ritt neben den König. „Ihr tut gut daran, die Vereinbarung nicht zu verletzen.“
„Wollt Ihr mir drohen?“ Zornesröte färbte Wors Gesicht.
„Ich zwinge mich nicht auf. Die Entscheidung liegt bei Euch. Nehmt uns mit und wir verhelfen Euch zum Triumph. Wir sind weitaus weniger ungestüm als Ihr.“ Ein erhabenes Lächeln formte Mogalls Mund zu einer Sichel. Provozierend kraulte er seinen Kinnbart. „Weigert Euch und das ingrimm’sche Heer wird in ein gebrochenes Reich zurückkehren.“
Wor lehnte sich zu Mogall hinüber. „Das werdet Ihr mir büßen!“ Knurrend riss er sein Pferd herum und trabte auf Loreena zu. „Du musst Augen und Ohren offen halten. Tückisch und hinterhältig sind die heutigen Zeiten. Ich werde vorsichtig sein und mich dennoch beeilen, um bald wieder in Küstenmark einzutreffen.“ Nach einer Pause grinste er zufrieden und fuhr fort: „ Mit Lomas an meiner Seite.“
Er streckte ihr seinen Arm entgegen und sie küsste seinen Handrücken.
„Pass auf dich auf, Vater!“
Mit den Fingerspitzen streifte er ihre Wange. Liebevoll sah er auf sie
Weitere Kostenlose Bücher