Purpurfalter
Loreena jagte ihren Schimmel hinter ihm her, aber der Vampir entfernte sich mit jedem Hufschritt von ihr. Ängstlich schaute sie sich um. Eiskalter Wind brannte in ihren Augen. Die Krieger kamen näher. Loreena gab dem Pferd die Sporen, doch es war nicht in der Lage, schneller zu reiten.
Nach einer halben Ewigkeit tauchte Mogall im Gallen Forst unter. Am nördlichen Teil des Wäldchens standen die schneebedeckten Tannen weiter auseinander. Loreena konnte sehen, wie er zwischen den Bäumen mal zur einen, mal zur anderen Seite ritt. Dann erreichte auch sie die ersten Tannen. Der Forst schenkte ihr eine gewisse Sicherheit - wie ein Wall, eine natürliche Barriere zwischen dem Bösen und ihr.
Plötzlich ging es abwärts. Sie schrie aus Leibeskräften. Der Schimmel unter ihr gab nach. Sie rutschte mit ihm ab. Dann steckte er fest. Noch immer saß sie im Sattel. Erschrocken sah sie sich um. Eine Fallgrube. Sie waren in ein Loch gestürzt. Das Pferd wieherte vor Schmerzen. Ängstlich zappelte es unter ihr. Loreena schaute hinunter. Noch hatten sie den Grubenboden nicht erreicht. Sie steckten am Rand fest. Schwer atmend hielt Loreena nach den Verfolgern Ausschau. Sie waren erschreckend nah. Doch noch etwas anderes war fürchterlich nah. Am Rand des Lochs entdeckte sie Beine - lange, dürre Beine, die sich nach oben reckten. Schneeweiß. Dünn wie Spinnenbeine. Ein Schreck fuhr ihr durch die Glieder. Etwas war in der Fallgrube und es konnte bei ihrem Glück nichts Gutes sein.
Loreena lehnte sich zum Rand hinüber. Ihre Finger suchten unter dem Schnee nach einer Wurzel, an der sie sich festhalten und herausziehen konnte. Nichts. Verflucht! Bei den vielen Tannen mussten hier doch zahlreiche Wurzeln wuchern. Mogall - nur er konnte ihr helfen. Aber er war nicht zu sehen.
Aus Leibeskräften rief sie nah ihm. Aber der Gallen Forst schluckte ihre Rufe. Panisch krallte sie sich immer wieder in den Schnee und rutschte ab. Es gab keinen Halt. Nervös schielte sie zu den Spinnenbeinen. Sie kamen näher. Dann sah sie die Augen der Kreatur. Sie schimmerten wie Eisblumen. Stahlblau, kalt und unbarmherzig schauten sie Loreena an.
Noch immer zappelte der Schimmel. Loreena suchte hektischer nach einem Halt. Ihre Finger waren blau vor Frost. Sie blickte wieder zu den Beinen. Erschrocken fuhr sie herum, als sich zwei Hände um ihre Handgelenke legten. Die Wachen hatten sie gefangen. Es war aus.
„Mogall!“ Erleichtert stellte sie fest, dass es der Vampir war. Noch immer steckten die Pfeile in seiner Schulter. Mit einem einzigen Ruck zog er Loreena vom Sattel auf den Waldboden.
Noch bevor sie sich der Erleichterung hingeben konnte, erreichten die Krieger Frostlandes sie. Lachend zeigten sie mit ihren Speeren und Schwertern auf Loreena und Mogall. Siegessicher ließen sie ihre Pferde sich aufbäumen und spuckten vor den beiden Eindringlingen in den Schnee.
„Rappaschumah“, flüsterte Mogall.
Irritiert sah Loreena ihn an und wollte gerade fragen, was er damit meinte, als Bestien sie umzingelten. Wilde Kreaturen, Wölfen ähnlich, liefen hechelnd um die Krieger. Sabbernd stürzten sie sich auf die Frostländer. Riesige Hauer ragten aus ihren Fängen. Ihre Körper waren sehnig, muskulös und dennoch bewegten sie sich erschreckend geschmeidig. Und Loreena wusste, wo sie diese Bestien schon einmal gesehen hatte. Vor der Treppe, die zur Wolfsburg führte. Rechts und links säumten sie den Weg wie steinerne Wachen. Werwölfe.
„Rappaschumah. Rappaschumah.“ Mogall hob die Faust in die Luft und lachte.
Kraftlos rüttelte Loreena an seinem Arm. „Wir müssen fort. Das sind Werwölfe. Eine Gefahr zu viel.“
„Nein.“ Lächelnd schüttelte er das Haupt. „Sie helfen uns. Die Werwölfe sind die Verbündeten der Vampire. Mag ich auch im Graupel Wald schlecht über sie geredet haben, so bin ich ihnen in diesem Moment dankbar.“ Abrupt verdunkelte sich sein Blick. „Die Schneespinne!“
Sie folgte seinem Blick. Die Spinne saß auf dem Pferd und streckte ihre Beine nach Loreena aus. Fast berührte sie ihren Stiefel. Schnell zog Loreena ihren Fuß weg. Die Schneespinne schaute gierig mit ihren kristallklaren, bergseeblauen Augen.
„Achtung! Sie kann springen.“ Mogall zog Loreena auf die Beine und von der Fallgrube fort. Er half ihr auf seinen Rappen und setzte sich hinter sie. Ein letztes Mal spähte Loreena zurück. Ein wildes Szenario bot sich ihr. Die Werwölfe sprangen die frostländischen Krieger an und verbissen sich in ihren
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