Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurfalter

Purpurfalter

Titel: Purpurfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
Vom Netzwerk:
die verlässlichste Quelle. Zu groß ist sein Hass, zu erregbar sein Gemüt. Der Knabe ist mit Graf Schomul aneinander geraten – obwohl sie sich nur einmal begegnet sind.“
    „Das nenne ich mutig“, feixte ihr Bruder.
    „Das nenne ich leichtsinnig.“ König Wor nahm einen Stein in die Hand und schmiss ihn in den Ankerle Fluss.
    Lachend schüttelte Lomas das Haupt. „So groß und mächtig wird er schon nicht sein.“
    „Doch, das ist er!“ Zu gut erinnerte sich Loreena an ihre Begegnungen mit ihm. Immer war sein übernatürlicher Einfluss auf sie atemberaubend. Sie spürte noch seine Zunge, wie sie sich auf ihre Halsschlagader presste, sie roch den Opiumduft seines Körpers, der sich an den ihren schmiegte, bevor Gamtam sie davor rettete, ihm mit Haut und Haaren zu verfallen. Niemals durfte sie Wor und Lomas von den Ausschweigungen erzählen, zu denen Schomul sie verlockt hatte. Niemals! „Ich spreche aus Erfahrung. Schließlich überbrachte ich ihm Wors Angebot.“
    Sie saßen zusammen, jeder seinen Gedanken nachhängend, und schwiegen. Was würde aus Ingrimm werden, nun, da der Hoffnungsträger heimkehrte? Und welche Strafe hatte sich Graf Schomul für Loreena ausgedacht, weil sie seinen Befehl - auf der Festung Tide zu bleiben - missachtet hatte? Loreenas Magen drehte sich um. Lange hatte sie nichts gegessen und bekam bei dem Gedanken an die bevorstehende Konfrontation keinen Bissen hinunter. Die Augenschmerzen strahlten bis in den Hinterkopf aus. Die schlimmen Vorahnungen steigerten den pochenden Kopfschmerz. In Gallen hatte sie dem Treffen mit dem Grafen noch trotzköpfig entgegen gefiebert. Aber nun, da es kurz bevorstand, machten sich Zweifel breit. Es würde sich zeigen, wie grausam Schomul sein konnte. Natürlich musste er mit seiner ganzen Unerbittlichkeit vorgehen, um sich beim Volke Ingrimms den nötigen Respekt zu verschaffen.
    Aber da war noch ein anderes Gefühl in Loreena. Er hatte sich ihr angenähert und sie war ihrem Dickschädel gefolgt, anstatt sich kompromissbereit zu zeigen. Sicherlich war er enttäuscht und allzu oft zog Enttäuschung Wut nach sich, persönlicher Zorn, weil es nicht nur um zwei Völker, sondern auch um sie beide ging. Glaubte man den Gerüchten, so verschonte er Ingrimm nur ihretwegen. Doch durch Lomas würden die Karten neu gemischt werden. Trotzdem tat es Loreena Leid, Schomul vor den Kopf gestoßen zu haben - nicht wegen Ingrimm . sondern wegen ihrer gemeinsamen Stunden.
    „Erst gilt es, das Vertrauen des Heers zu gewinnen. Die freiwillige Unterwerfung war bereits schwer zu verdauen, aber diese Reise hat sie noch mehr verunsichert.“ Erneut schaufelte sie Wasser ins Gesicht. Herrlich kühl milderte es den Kopfschmerz, aber er verschwand nicht.
    „Sie werden durch Lomas neues Licht am Horizont sehen.“ Wor kraulte seinen silbergrauen Bart. „Mögen sie auch mich verachten, so beten sie Lomas immer noch an; erst recht, nachdem er die Gefangenschaft Nebelhorns überlebt hat. Dennoch bin ich Loreenas Meinung. Du solltest erst wieder zu Kräften kommen. Während dieser Zeit bereiten wir den Angriff vor, wie auch immer er aussehen mag. Erst nachdem du stark genug bist, werden wir die Vampire attackieren.“
    Unsicher schaute Loreena von Wor zu ihrem Bruder. „Wird das Volk so lange seine Hoffnung aufrechterhalten? Sie könnten denken, Lomas würde sich fügen.“
    „Das werden sie nicht!“ Düster war Lomas' Blick. „Ich habe bereits mit Artin gesprochen. Besitzt der Junge auch ein überschäumendes Temperament, so verschafft er sich genau dadurch Gehör. Er wird das Heer auffordern, Ruhe zu bewahren und sich in Geduld zu üben.“
    Etwas in seinen meerblauen Augen irritierte Loreena. Sie kannte ihren Bruder zu gut. In der Kindheit war er nicht von ihrer Seite gewichen, hatte sie vor Hänselein wegen ihres Babyspecks verteidigt und sie das Kämpfen gelehrt. Ein inniges Band hielt ihre Freundschaft auch nach der Kindheit und Jugend zusammen. Nun sah er müde aus, abgemagert und schwach. Aber seine Augen funkelten so geheimnisvoll und kampfeslustig wie damals. „Was hat du vor? Was habt ihr ausgeheckt? Artin ist leichtsinnig und hat eine lose Zunge. Er ist ein schlechter Verbündeter. Sei vorsichtig, bitte.“
    Lomas knuffte sie lachend in die Seite. „Du machst dir zu viele Sorgen, Schwesterherz.“
    „Und du zu wenig“, murmelte sie und dachte an Graf Schomul. Wie würde er reagieren, wenn Mogall sie in aller Öffentlichtkeit küsste? Das Pochen unter ihrer

Weitere Kostenlose Bücher