Purpurfalter
Schädeldecke wurde wieder stärker.
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Der Morgen kam schnell. Loreena hatte sich die Nacht hindurch unruhig hin und her gewälzt, weil der Gedanke an die Begegnung mit Graf Schomul sie quälte. Der Kopfschmerz hämmerte immer noch. Ihre Schläfen schienen zerspringen zu wollen. Während das Heer Ingrimms und die Armee von Valkenhorst bereits die Pferde sattelten, ging Loreena mit fast zugeschwollenem Auge zum Flussufer und kühlte ihr Gesicht mit Ankerle Wasser.
„Wir müssen los.“ Mogall trat neben sie. Besorgt sah er auf sie herab und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. „Ihr seht schlecht aus.“
Schwerfällig stand sie mit seiner Hilfe auf. „Danke. Jetzt geht es mir besser. Das sind genau die aufmunternden Worte, die ich hören wollte.“
Er schmunzelte und kratzte seinen blonden Spitzbart. Die Feuchtigkeit des permanenten Nieselregens ließ sein Haar lockig an der Kopfhaut kleben. „Es tut mir aufrichtig Leid. So verhält man sich nicht einer Dame gegenüber, aber Ihr seht momentan auch nicht wie eine aus.“
Loreena stand fassungslos mit offenem Mund vor ihm. Natürlich war sie von den Haarwurzeln bis zu den Stiefelspitzen schmutzig. Natürlich war sie nass bis auf die Haut, verunstaltet durch ein geschwollenes Auge. Aber musste er ihr das unter die Nase reiben?
Lachend nahm Mogall ihre Hand und führte sie zu seinem Rappen. Er streichelte schuldbewusst ihre Wange, bevor er ihr aufhalf. Nachdem er sich hinter sie gesetzt hatte, flüsterte er: „Ich mag es, wenn Ihr empört ausseht. Ihr habt gekämpft wie ein Mann. Ich bin stolz auf Euch.“
Zuerst lächelte Loreena, doch nachdem sie an die Spitze der Formation geritten waren und den Heimritt antraten, wurde sie nachdenklich. Dies waren genau die Worte, die sie erhofft hatte von ihrem Vater zu hören. Würde er jemals ihre Stärke erkennen? Sie spielte in Gedanken versunken mit der schwarzen Pferdemähne. Vielleicht überschätzte sie ihren Einsatz bei der Befreiung Lomas’. Oft hatte Mogall sie retten müssen. Sie erkannte Hochmut in ihren eigenen Gedanken und gelobte Besserung.
„Fürchtet Euch nicht. Graf Schomul wird Eure wichtige Rolle in der Befreiungsaktion einsehen und Euch verschonen.“ Wieder wisperte der Vampir.
Loreena prüfte, ob Klavorn und Wor, die neben ihnen ritten, etwas von ihrer Unterhaltung mitbekamen, aber sie führten selbst ein hitziges Gespräch. Lomas und Artin mussten hinter ihnen reiten, denn die Kiefern standen zu eng, um drei Pferden nebeneinander Platz zu bieten.
Stöhnend hielt sich Loreena die Stirn. „In meinem Kopf tobt ein Orkan.“
„Das ist einer der Vorteile, ein Vampir zu sein. Man empfindet keinen Schmerz. Vielleicht ein Ziehen, mehr nicht.“
„Danke, aber ich verzichte.“
Leise lachte Mogall auf. „Ich wollte Euch nur auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Graf Schomul Euch als Bestrafung zum Vampir macht. Jeder weiß, er hat einen Narren an Euch gefressen.“
Sie sah ihn strafend an. „Sagt nicht so etwas! Ja, ich fürchte mich vor der Ankunft in Küstenmark. Er wird mich in der Luft zerreißen und Eure Worte im Nachhinein lächerlich klingen lassen.“
„Seine Zuneigung zu Euch mag Eure einzige Chance sein, Loreena.“
Verlegen wandte sie ihr Gesicht ab und sie begann die Mähne des Rappen zu flechten. „Gamtam benutzte ähnliche Worte.“
„Gamtam?“
Sie brachte keinen Ton mehr heraus. Allein die Erinnerung an die Begegnung mit Schomul im Flur, als er sie entjungfert und mit ihr offen über seine Probleme im eigenen Land gesprochen hatte, weil er Ingrimm entgegen aller Erwartungen nicht ausmerzte, stahl ihr den Atem. Nicht mehr lange und der Tross würde das Ende des Waldes erreichen. Kurz würden sie in den Wald Goblin eintauchen, die Grenze der östlichen zur südlichen Krisis überqueren und auf Küstenmark zusteuern. Loreena konnte schon das zornige Gesicht des Grafen sehen, wie er im Innenhof stand und ungeduldig auf ihre Rückkehr wartete, bereit, gierig die Finger nach ihr auszustrecken, um Genugtuung und Respekt zu bekommen. „Mir ist übel vor Kopfschmerzen.“
„Kann ich etwas für Euch tun?“
„Haltet meine Hand.“ Loreena erschrak über ihre eigenen Worte, aber kaum hatte Mogall ihre Finger sanft umschlossen, fühlte sie seine Wärme und Stärke in sich hineinfließen.
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Schon von Weitem sahen die Reisenden die Flagge Valkenhorsts - ein Nachtfalter auf purpurnem Hintergrund auf der höchsten Zinne der Festung Tide wehen. Es entstand Tumult. Die
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