Purpurschatten
schließlich.
»Nein«, entgegnete Brodka, »dazu kam es nicht mehr. Aber Arnolfos Neffe wußte von unserem Geschäft. Also habe ich ihm das Geld gegeben und dafür von ihm den Schlüssel des Schließfachs erhalten.«
Da hob der Portier abwehrend beide Hände. »Das, mit Verlaub, Signore, entspricht nicht der Wahrheit.«
Brodka wurde wütend. Juliette merkte es und legte ihre Hand auf seinen Arm. In ihrem Blick lag die stumme Bitte: Bleib ruhig. Du verschlimmerst die Situation sonst nur.
Deshalb gab sich Brodka versöhnlich. »Das müssen Sie mir erklären. Warum sollte ich lügen?«
»Hören Sie, Signore. Ich war der einzige, der von diesem Schließfach wußte. Nicht einmal Baldassare, dem er sonst alles anvertraute, wußte Bescheid, wo Arnolfo seine Dokumente versteckt hielt. Und ich, der ich den Aufbewahrungsort kannte, kenne bis heute den Inhalt nicht. Nein, Signore, ich glaube Ihnen kein Wort.«
Der Portier stellte Brodka auf eine harte Geduldsprobe. Er griff zum Telefonhörer, hielt ihn Marco hin und sagte: »Bitte, rufen Sie Baldassare an. Er wird Ihnen meine Aussage bestätigen.«
Marco wählte die Nummer und führte ein längeres Telefongespräch, in dessen Verlauf er mehrmals das Wort – »veramente – wirklich?« gebrauchte. Schließlich legte er auf und sagte: »Entschuldigen Sie mein Mißtrauen, Signore, Sie sind vollkommen im Recht. Aber das konnte ich ja nicht wissen.«
»Schon gut.« Brodka winkte ab. »Wo ist der Tresorraum?«
Juliette zog es vor in der Halle zu warten, während Brodka mit dem Portier einen kleinen Raum neben der Telefonzentrale betrat, der etwa drei mal drei Meter im Quadrat maß. Die gegenüberliegende Wand wurde von Schließfächern eingenommen. Linker Hand stand ein schlichter Holztisch. In der rechten oberen Ecke des Tresorraumes war, kaum erkennbar, eine Kamera angebracht.
»Wenn Sie bitte Ihren Namen, das Schließfach und die Uhrzeit eintragen wollen«, sagte Marco und wies mit der Hand zu dem Tisch, auf dem eine Liste mit Namenseintragungen lag.
Brodka schrieb seinen Namen und die Uhrzeit nieder; dann steckte er den Schlüssel in die Tür mit der Nummer 101. Marco blickte diskret zur Seite, als gehe ihn die Sache nichts an.
Schon beim Betreten des Tresorraums hatte Brodka ein ungutes Gefühl befallen, eine böse Ahnung. Als er das Schließfach öffnete und leer vorfand, zeigte er sich nicht einmal sonderlich verwundert.
Er bat Marco zu sich und zeigte, ohne ein Wort zu sagen, in das geöffnete leere Fach.
In Marcos Augen trat ein Ausdruck der Verwunderung und Ratlosigkeit; er brauchte eine ganze Weile, bis er die richtigen Worte fand. »Signore«, sagte er, und seine Betroffenheit schien glaubhaft, »hier stimmt etwas nicht. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, daß Arnolfo irgend etwas in diesem Fach deponiert hat.«
»So, haben Sie?« entgegnete Brodka verbittert. »Gibt es für alle Fächer einen Zweitschlüssel?«
»Nein, Signore, das wäre viel zu gefährlich.«
»Aber wenn einmal ein Schlüssel verlorengeht?«
»Der Direttore verfügt über einen Universalschlüssel. Soweit ich mich erinnere, wurde er noch nie gebraucht.«
Brodka verschloß die Tür und kehrte zu Juliette zurück, die Brodkas Worten einfach nicht glauben wollte.
»Dann gibt es nur eine Erklärung«, sagte sie schließlich. »Baldassare hat uns betrogen.«
Doch Brodka wollte nicht glauben, daß Arnolfos Neffe es darauf angelegt hatte; dazu war die Sache viel zu durchsichtig. Brodkas Verdacht richtete sich vielmehr gegen den Hoteldirektor, der über den einzigen Universalschüssel verfügte. Aber woher sollte der Mann von dem brisanten Inhalt wissen?
Als Brodka den Portier mit seinem Verdacht konfrontierte, bat Marco ihn, Stillschweigen zu bewahren. Auch er wolle unbedingt erfahren, ob jemand sich am Schließfach zu schaffen gemacht habe, und es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, dies herauszufinden. Er bat Brodka, sich nach Dienstschluß gegen 19 Uhr im Hotel einzufinden. Dann könnten sie sich gemeinsam die Videoaufzeichnungen der Überwachungskamera ansehen. Es sei nämlich unmöglich, in den Tresorraum zu gelangen, ohne die Kamera in Funktion zu setzen.
Kurz nach sieben betraten Brodka und Juliette erneut die Halle des Hotels Excelsior. Sie wurden bereits erwartet.
Ohne seinen altmodischen Gehrock wirkte Marco um zehn Jahre jünger, freilich auch längst nicht so seriös wie in seiner Uniform. Er bat die beiden in die Telefonzentrale, wo an einer Wand mehrere Monitore
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